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Die Verfeinerung der Liebe erfordert viel Zeit

In einem von Herzen kommenden Brief teilt der deutsche Dichter Reiner Maria Rilke seinem Freund Friedrich seine jüngste Schlussfolgerung über die Funktionsweise der Liebe mit: „Da habe ich immer und immer wieder erfahren, dass es kaum etwas Schwereres gibt, als sich lieb haben. Dass das Arbeit ist, Tagelohn, Friedrich, Tagelohn. Weiß Gott, es gibt kein anderes Wort dafür.“ Der Hirnforscher und Neurowissenschaftler Giovanni Frazzetto ergänzt: „Vertraulichkeit ist kein unabänderliches Talent, sondern eher eine Reise. Wie andere Fertigkeiten vervollkommnet sie sich durch Versuch und Irrtum. Intimität und Nähe bedeuten das Aufführen,…

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Lehrer müssen Bezugspersonen sein

Viele Eltern erwarten von den Lehrern, dass sie in die Rolle des Löwenbändigers, des Sozialarbeiters und des Psychotherapeuten schlüpfen. Zudem sollten sie die Rolle als Showmaster im Unterricht, der Fachkapazität und des Entdeckers von Talenten perfekt erfüllen. Andreas Salcher warnt: „Wir dürfen aber den Lehrer nicht nur auf seine Funktion als Wissensvermittler reduzieren, wie wir das leider in der Vergangenheit getan haben.“ Denn Lehrer haben immer zwei Aufgaben gehabt. Erstens Wissen und Verständnis zu vermitteln. Zweitens Bezugsperson für die Kinder zu sein und somit auch Verantwortung für die Erziehung auszuüben.…

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Träume sind spannender als Video-Clips

Eine Zeit, die so von Bildern geprägt ist wie die heutige, müsste die inneren Bilderwelten ebenso zu schätzen wissen wie die äußeren. Daher ist es für Georg Milzner merkwürdig, dass Menschen stundenlang Youtube-Videos ansehen können, sich oft für ihre Träume wenig interessieren: „Denn Träume sind allemal spannender als Clips, und überdies haben sie etwas mit uns zu tun.“ Ob man sie als Botschaften des Unbewussten liest oder ob man, wie der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend einmal sagte, beim Träumen bloß die „Show“ genießt, ist dabei zunächst einmal unwesentlich. Als Psychologe des…

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Amokläufer scheinen ganz normal zu sein

Immer wieder kommt es zu Amokläufen in Schulen. Wo liegen die Wurzeln dieser neuzeitlichen Geißel der gutbürgerlichen Gesellschaft? Welche Umstände treiben einen meist in wohlhabenden Verhältnissen lebenden Jugendlichen an, wenn er sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt? Warum erschießen sie mit unglaublicher Kälte junge Menschen, bevor sie sich selbst zur Strecke bringen? Reinhard Haller antwortet: „Die äußeren Fakten sind rasch aufgezählt: Lebensgeschichte, Beziehungsmuster, soziale Umstände und Verhalten der jungen Amokläufer und Massakristen weisen große Ähnlichkeiten auf.“ Meist handelt es sich um unauffällig lebende, als zurückhaltend und einzelgängerisch geltende…

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Ohne Konflikte sterben Beziehungen

Ein O-Ton aus der Paartherapie: „Unsere Beziehung ist schon länger tot.“ – „Wann etwa ist sie denn gestorben?“ – „Etwa in dem Monat, wo wir aufgehört haben, uns zu streiten.“ Reinhard K. Sprenger erklärt: „Zu irgendeinem Zeitpunkt kippt häufig der heiße Konflikt in ein kaltes Anschweigen, das oft schlimmer ist als die lautstarken Angriffe, die es ausgelöst haben.“ Warum? Weil man keine gemeinsame Zukunft mehr sieht. Weil die Hoffnung erloschen ist. Dann investiert man nicht mehr in den Konflikt, sondern meidet die offene Auseinandersetzung. Heimlich beschäftigt man sich mit alternativen…

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Eva Illouz erforscht die männliche Sexualität

Gelegenheitssex bringt man immer wieder mit einer männlichen Form der Sexualität in Verbindung, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens haben Männer schon immer mehr Freiheit genossen als Frauen. Daher können sie das sexuelle Feld mit nur wenigen normativen Beschränkungen durchstreifen. Eva Illouz erläutert: „Für Männer ist Promiskuität schon immer ein Zeichen sexueller Macht gewesen. Für Frauen hingegen ist sie entweder zwiespältig oder Anzeichen eines moralisch fragwürdigen Status.“ Zweitens waren die Männer nie gezwungen, Sexualität als Hebel zu gebrauchen, um gesellschaftliche und ökonomische Ressourcen zu erlangen. Sie haben also auch keinen…

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Toleranz schließt Missbilligung mit ein

Viele Menschen denken bisweilen, der Respekt vor den aus anderen Kulturen Geflüchteten zeige sich darin, dass die Einheimischen alle Augen zudrücken. Herbert Renz-Polster ist anderer Ansicht: „Aber das ergibt keinen Sinn. Man kann tolerant sein – also etwas im Wortsinne „erdulden“ – und es trotzdem missbilligen.“ Wenn den Antisemitismus bei Flüchtlingen kritisiert, ist deshalb noch langen nicht „islamophob“. Und man ist auch kein Neuer Rechter, nur weil man auf das „sexuelle Elend der arabischen Welt“ hinweist. Und ja, man kann Schwule und Juden verstehen, wenn sie über die tief verwurzelten…

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Das Gewissen ist eine Anpassungsleistung

Auch Sigmund Freud (1856 – 1939) analysiert das Gewissen. Für ihn ist die tendenziell destruktive Aggression in der Triebstruktur des Menschen angelegt. Diese gefährdet die kulturellen und gesellschaftlichen Errungenschaften. Das muss zu deren Aufrechterhaltung verhindert werden. Sigmund Freud schreibt: „Die Spannung zwischen dem gestrengen Über-Ich und dem unterworfenen Ich heißen wir Schuldbewusstsein; sie äußert sich als Strafbedürfnis.“ Das Gewissen ist für Sigmund Freud eine von „der Kultur“ auferlegte Anpassungsleistung. Klaus-Peter Hufer fügt hinzu: „Der Erfolg ist, dass es mit ihr eine Instanz schafft, die sich gegen die eigene Person, die…

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Weise Menschen reflektieren ihre Erlebnisse

Das Lernen aus Erfahrungen ist ein Grundkennzeichen der Reflektion. Judith Glück weiß: „Weise Menschen durchdenken ihre Erlebnisse und ziehen Schlüsse aus ihnen. Diese machen sie zu besseren Menschen.“ Judith Glück wird immer wieder gefragt, ob man Weisheit nicht auch durch indirekte Erfahrungen wie etwa das Lesen von Büchern erlangen kann. Sie antwortet: „Zweifellos kann man sehr vieles durch Bücher, Medien und Gespräche lernen. Es kommt ja immer wieder vor, dass uns ein Buch oder ein Satz, den jemand nebenbei gesagt hat, eine ganz neue Perspektive eröffnet.“ Eigene Erfahrung ermöglicht es…

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Das Gedächtnis ist kein Datenspeicher

Menschliches Erleben und Erinnern sind in hohem Maß subjektiv bestimmt und in der Regel nimmt man dies nicht wahr. Denn das Gedächtnis funktioniert nicht wie ein Datenspeicher, in dem man unverändert reproduzierbare Inhalte abspeichern kann. Thomas Fischer fügt hinzu: „Merken und Erinnern sind vielmehr stark mit Emotionen, einer Gesamtheit von sensorischen, unbewussten und reflektierten Prozessen verbunden.“ Die Speicher der Erinnerung sind Teil des Gesamtkörpers eines Menschen. Erinnerung ist nicht das Öffnen einer Datei, sondern die Neukonstruktion einer Gesamtsituation, die ihrerseits wiederum ein Gefühls- und Reflexionsprozess ist. Dieser wird verarbeitet und…

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