Gewalttäter hatten oft eine beschissene Kindheit
Manche Soziologen präsentieren immer kompliziertere Modelle zur Entstehung des Rechtspopulismus. Dabei erwähnen sie kein einziges Mal die kindliche Sozialisation. Herbert Renz-Polster fragt: „Warum fällt es ihnen so schwer, den Faktor Kindheit zu berücksichtigen.“ In der Debatte über den Islamismus streiten sich viele Experten mit Vorliebe darum, ob nun der Koran die Gewaltbereitschaft fördere oder nicht. Dabei vergessen sie darzulegen, dass praktisch alle islamistischen Gewalttäter in zutiefst zerrütteten Familienverhältnissen aufgewachsen sind. Viele Forscher reden auch von der Radikalisierungskraft des Internets. Allerdings benennen sie dabei das Offensichtlich nicht gleich mit. Herbert Renz-Polster erläutert: „Kein junger Mensch schließ sich einfach dem Islamischen Staat (IS) oder einer Neonazigruppe an, weil ihm deren Posts bei Facebook so gut gefallen, sondern weil sie den Eindruck haben, in ihrem Leben beschissen worden zu sein.“ Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.
Bindungslose Kinder sind die geborenen Vollstrecker
Feigheit und Hinterhältigkeit charakterisierte schon das Dritte Reich. Das kann man nur verstehen, wenn man weiß, dass man dort schon die Kinder feige und hinterhältig behandelte. Der expansive, militärische Nationalismus wäre ohne das damals herrschende, zutiefst pessimistische und gewaltsame Kinderbild schlichtweg undenkbar gewesen. Es gibt einen Grund, weshalb die Securitate-Truppen des damaligen rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescu, die grausam gegen das eigene Volk vorgingen, ausgerechnet aus den dortigen Waisenhäusern rekrutiert wurden: Bindungslose Kinder sind die geborenen Vollstrecker.
Kein Mensch geht auch als Erwachsener irgendeinen Weg. Sondern Menschen gehen den Weg weiter, den sie einmal begonnen haben. Dabei sind sie versorgt oder beschwert mit den Erfahrungen und Bildern, die ihnen begegnet sind. Sie leben in Freiheit oder in Angst, sind geprägt von Selbstachtung oder Scham. Sie vertrauen sich selbst oder sind sich selbst fremd, sie sind selbstbewusst oder selbstvergessen. Zum modernen Weltbild gehört, dass sich viele Menschen als freie Entscheider an jeder Wegkreuzung betrachten.
Erziehung endet oft in Kampfbeziehungen
Nicht wenige Menschen belügen sich selbst mit dem Gerede, dass sich doch nur Blätter im Wind seien. Denn wenn man Ursachen für fehlgeleitete Lebensläufe immer nur da draußen sucht, dann sind auch die Antworten schon festgelegt. Gründe können sein fehlende Bildung, die Globalisierung, die soziale Isolation der Abgehängten. Alles wird sich dann mit ein paar technischen Eingriffen regeln lassen: mehr Bildung, mehr Aufklärung. Eine Agentur gegen Fake News. Und mehr Wachstum, natürlich.
Herbert Renz-Polster möchte jedoch nicht missverstanden werden: Das sind diskutable Ideen. Aber wenn man sich den Fakten stellt, dann muss man die tiefere Entstehungsgeschichte der eigenen Haltungen mit einzubeziehen. Herbert Renz-Polster fordert: „Dann müssen wir von Kindheitserfahrungen und von Erziehung reden und warum sie so oft in Unsicherheit, ja, in Kampfbeziehungen endet. Mit einem „Mehr“ ist es dann nicht mehr getan. Die Frage wäre doch eher die: Welche Bildung brauchen wir?“ Quelle: „Erziehung prägt Gesinnung“ von Herbert Renz-Polster
Von Hans Klumbies