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Viele Menschen graben sich ihre Grube selbst

Jeder ist seines Glückes Schmied, so heißt es. Aber vor allem kennt man den umgekehrten Fall: Viele Menschen graben sich ihre Grube selbst. Fritz Breithaupt erläutert: „Das heißt nicht nur, dass wir unbeabsichtigt in die Fallen tappen, die wir anderen stellen. Vielmehr vertiefen wir unser Unglück immer wieder, indem wir unsere Weltsicht auf ein solches Unglück ausrichten.“ Wer kennt nicht einen Pessimisten, für den noch die beste Nachricht irgendwie zum Beleg seines Unglücks wird. Man möchte solch einen Pessimisten rütteln und schütteln, doch es würde nichts ändern. Sondern es würde ihm nur wieder bestätigen, dass alle gegen ihn sind, inklusive der Freunde, die ihn schütteln. Es ist offensichtlich nicht leicht, seine Muster zu ändern. Fritz Breithaupt ist Professor für Kognitionswissenschaften und Germanistik an der Indiana University in Bloomington.

Menschen sind immer wieder von ihren Narrationen gefangen

Ebenso wie der Pessimist können auch alle anderen Menschen gefangen sein in ihrer Sicht der Dinge. Dahinter steckt aber nicht nur irgendeine schwammige Weltsicht, sondern vielmehr konkrete Erwartungen, wer man ist, wo man ist und wie man sich seine Zukunft vorstellt. Und das heißt vor allem, alle Menschen sind immer wieder von ihren Narrationen gefangen. Man erwartet bestimmte Dinge und ist in seinen Erwartungen verstrickt, bis sie dann doch eintreten.

Und wenn sie nicht eintreten, wartet man so lange, bis sie dann doch eintreten. Fritz Breithaupt weiß: „Im Prozess des Wartens gestalten wir die tatsächlichen Ereignisse in unserem Geist so um, dass sie unserer Sicht entsprechen.“ In den USA können beispielsweise viele Menschen auch nach sechs skandalträchtigen Jahren nicht anders, als Donald Trump für einen Helden zu halten. Als Professor kennt Fritz Breithaupt viele Kollegen, die an einer Vision aus Teenager-Jahren festhalten.

Manche Menschen sehen sich gerne in der Opferrolle

Sie wollen Professor in Harvard werden, einen Nobelpreis gewinnen oder ein Allheilmittel gegen Krebs finden. Das sind alles schöne Ziele, die zur Arbeit anspornen. Doch statt, dass solche Visionen die Kollegen glücklich machen, sind sie bitter, frustriert und neidisch auf das, was andere geschafft haben. Die Narration, die sich diese Kollegen ausgesucht haben, passt nicht mehr zu ihrem Leben. Aber fallen lassen können sie sie anscheinend auch nicht. Andere Menschen sehen sich ständig in der Opferrolle.

Fritz Breithaupt erklärt: „Es ist natürlich wichtig, zu erkennen, wann man unterdrückt wird, um sich dagegen aufzulehnen oder Hilfe zu suchen. Doch das Opfersein kann auch zur Rolle werden, die immer wieder aufgesucht wird, weil jemand diese Rolle gut kennt und in sie wie in einen passenden Schuh schlüpfen kann.“ Immerhin stellt die Opfernarration das Opfer als moralisch überlegen dar und spricht ihm die Verantwortung und Handlungsmöglichkeit ab. Für das Opfer ist die Narration insofern eine Entlastung. Quelle: „Das narrative Gehirn“ von Fritz Breithaupt

Von Hans Klumbies

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