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Viktor Frankl spekuliert über das Unterbewusstsein

Für Viktor Frankl ist der Geist gerade in seinem Ursprung ein unbewusster Geist. Denn der Geist ist genau dort, wo er seinen Ursprung hat, aller Selbstbeobachtung und Selbstspiegelung gegenüber blind. Das heißt, wo er ganz ursprünglich, ganz er selbst ist, ist er sich selbst unbewusst. Viktor Frankl zitiert, um seine Behauptung zu unterstützen, die alten indischen Veden, in denen es heißt: „Das, was sieht, kann nicht gesehen werden; das, was hört, kann nicht gehört werden; und das, was denkt, kann nicht gedacht werden.“ Aber nicht nur im Ursprung ist der Geist unbewusst, sondern auch in der obersten Instanz, die über Bewusstsein beziehungsweise Unterbewusstsein zu entscheiden hat. Aber um Entscheidungen treffen zu können, muss der Mensch doch irgendwie zwischen beiden Bewusstseinszuständen unterscheiden.
Das Gewissen ist irrational

Gemäß Viktor Frankl reicht das, was man Gewissen nennt, in eine unbewusste Tiefe hinab. Er schreibt: „Gerade die großen, echten, – existentiell echten – Entscheidungen im menschlichen Dasein erfolgen allemal durchaus unreflektiert und insofern auch unbewusst; an seinem Ursprung taucht das Gewissen ins Unbewusste ein.“ In diesem Sinne bezeichnet Viktor Frankl das Gewissen auch als irrational, da es alogisch oder besser noch praelogisch ist.

Irrational ist das Gewissen auch deshalb, weil es in seiner unmittelbaren Vollzugswirklichkeit letztlich unerforschlich ist. Laut Viktor Frankl erschließt sich dem Bewusstsein das Seiende, dem Gewissen jedoch das Nichtseiende oder vielmehr das noch , die in einem Prozess erfolgt, den man Intuition nennt. Die geistige Ahnung geschieht gleichsam in einem Akt der Schau.

Die Liebe und das Gewissen sind bei jedem Individuum verschieden

Das Gewissen erweist sich für Viktor Frankl als eine wesentlich intuitive Funktion. In diesem Sinne ist für ihn auch die Ethik tatsächlich irrational und nur nachträglich rationalisierbar. Selbst die Liebe ist gemäß Viktor Frankl eine Angelegenheit der Intuition, denn auch sie erschaut nämlich ein noch nicht Seiendes. Er schreibt: „Die Liebe erschaut und erschließt nämlich Wertmöglichkeiten am geliebten Du. Auch sie nimmt also in ihrer geistigen Schau etwas vorweg; das nämlich, was ein konkreter, eben der geliebte Mensch an noch unverwirklichten persönlichen Merkmalen in sich bergen mag.“

Sowohl das Gewissen als auch die Liebe haben gemäß Viktor Frankl es gleicherweise mit Möglichkeiten zu tun, nicht aber mit Wirklichkeiten. Deshalb sind sie sich sehr ähnlich. Beide können intuitiv nur auf intuitivem Weg vorangehen. Er erklärt: „Beide nämlich, sowohl das Gewissen als auch die Liebe, haben es mit absolut individuellem Sein zu tun.“

Von Hans Klumbies

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