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Traumatische Erinnerungen sind widersprüchlich

Die meisten Menschen glauben wahrscheinlich, dass traumatische Erinnerungen etwas Besonderes sind. Doch wahrscheinlich ist ihre Auffassung von diesen Erinnerungen auch widersprüchlich. Julia Shaw erläutert: „Einerseits glauben Sie, dass wir unglaublich emotionale Erinnerungen häufig vergessen oder verdrängen. Andererseits meinen Sie, dass sie uns in Alpträumen und Flashbacks begegnen. Wenn das stimmt, dann glauben Sie vermutlich, dass unsere Erinnerungen an traumatische Erlebnisse zugleich besser und schlechter sind als nicht emotionsbesetzte Erinnerungen.“ Dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Die erste ist das „Traumatic Memory Argument“, laut dem man sich an traumatische Ereignisse oft schlechter erinnert als an andere Arten von Ereignissen. Dieser Position liegt die Annahme zugrunde, dass die starke emotionale Wirkung traumatischer Situationen die anderen Möglichkeiten der Verarbeitung außer Kraft setzt. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

Erinnerungen an traumatische Ereignisse erscheinen als Fragmente

Dieses Gedanken kann man bis zu griechischen Denker Aristoteles zurückverfolgen, der schriebt, eine Erinnerung bilde sich nicht bei jenen, die sich in einem Zustand rascher Veränderung befänden, sei das einer verstörenden Erfahrung oder ihrem Lebensalter geschuldet. Bei dieser Sichtweise wird also angenommen, dass Erinnerungen an traumatische Ereignisse als fragmentierte Bilder, Emotionen und Sinneseindrücke ohne kohärente Struktur gespeichert werden.

Vertreter des „Traumatic Memory Argument“ behaupten, dass aus diesem Grunde Menschen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, manchmal sehr starke Flashbacks erleben. Sie erinnern sich an kleine Bruchstücke der traumatischen Erinnerungen und nicht an ganze Ereignisse. Außer dieser Vorstellung postulieren Vertreter dieser Haltung auch oft, dass die Menschen bei sehr emotionalen Ereignissen „dissoziieren“. Das Wort „Dissoziation“ wird in vielfältigen Bedeutungen benutzt, aber am häufigsten beschreibt man damit Symptome, zu denen das Gefühl zählt, die Welt und man selbst seinen unwirklich.

Der Geist kann ein Trauma manchmal nicht verarbeiten

Diese können während des traumatischen Ereignisses oder danach auftreten. Vertreter des „Traumatic Memory Argument“, wie Judith Alpert, Professorin für Angewandte Psychologie, die 1998 mit Kollegen eine Arbeitsgruppe gründete, um die Natur traumatischer Erinnerungen zu untersuchen, sind der Meinung, Dissoziation sei „eine psychologische Abwehr gegen die Wirkung des Traumas und der mentale Mechanismus, der höchstwahrscheinlich für Amnesie und Hypermnesie verantwortlich ist, die traumatisierte Personen häufig erfahren.“

Mit anderen Worten können Erlebnisse so traumatisch sein, dass der menschliche Geist kaum mit ihnen fertig wird, sodass er solche Erinnerungen im Wesentlichen unzugänglich macht. Julia Shaw stellt fest: „Diese Aussage ist insofern in sich widersprüchlich, als sie Amnesie – also völliges Vergessen – und Hypermnesie – also eine verstärkte Erinnerung an ein Ereignis – als gleichzeitig auftretende Phänomene beschreibt. Der Arzt Hans Markowitsch scheibt: „Dissoziative Amnesie gehört zu den rätselhaftesten und umstrittensten psychiatrischen Störungen. Quelle: „Das trügerische Gedächtnis“ von Julia Shaw

Von Hans Klumbies

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