Ein Mensch hat niemals ausgelernt
Dass Stress besser als sein Ruf ist, konnten Forscher der Universität Bochum belegen. Versuchsteilnehmer, die unter Stress gesetzt worden waren, konnten sich Dinge, die während der Stresssituation auftraten, besser erinnern als entspannte Probanden. Klaus Biedermann stellt fest: „Für das Lernen hieße das, dass ein gesundes Maß an Stress sich positiv auf das Langzeitgedächtnis auswirke, also durchaus hilfreich sein könne. Beim Abfragen des Gelernten ist Stress hingegen hinderlich.“ So empfiehlt es sich, Prüfungssituationen so entspannt wie möglich zu gestalten; hierbei kommt es vor allem auf die Atmosphäre des Raumes und das Auftreten des Prüfers an. Das Denken eines Menschen, seine Art zu fühlen und sein Körper interagieren und beeinflussen sich gegenseitig. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.
Gefestigtes Wissen ist alles andere als sicher
Wenn man beispielsweise an etwas Unangenehmes denkt, wird dies unmittelbar im Körper messbar sein. Im Leben geht es unter anderem darum, zu lernen. Menschen häufen dabei eine große Menge von Wissen an. Zu der Meinung zu gelangen, man wisse genug und habe ausgelernt, hält Klaus Biedermann jedoch für einen großen Fehler. Viele Menschen sind sich da aber bereits nach der Beendigung des Studiums oder ihrer Lehre sicher. Gefestigtes Wissen wird dann schnell zu einer Art Landkarte der Realität, auf deren Basis anschließend Entscheidungen getroffen werden.
Alles, was dort nicht hineinpasst, wird ignoriert oder abgewehrt. Die einfachste Form, die Landkarte anderer abzuwehren, ist, sich darüber lustig zu machen, zu behaupten, das Ganze sein Spinnerei oder „schlaue“ Gegenargumente zu liefern. Es kann sogar vorkommen, dass eine andere Landkarte das eigene Zutrauen in das persönliche Weltbild massiv stört. Dann versucht man, das Ganze herunterzuspielen, und beruhigt sich wie ein Kind, dem man sagt, dass es die böse Hexe in Wirklichkeit gar nicht gibt.
Neues Wissen sorgt für Veränderung
Obwohl man weiß, dass das nicht stimmt, kann man zunächst einmal ruhig schlafen und das eigene Weltbild ist wieder in Ordnung. Klaus Biedermann weiß: „In tiefer Meditation kann man allerdings erkennen, dass das bisherige Weltbild und das Leben, das man nach diesem geführt hat, so nicht stimmen und dass es ganz anders sein könnte. Manchmal entdeckt man sogar, dass man einer gigantischen Fälschung aufgesessen ist.“ Lässt ein Mensch dagegen neues Wissen zu, kann er Nützliches gestalten.
Wissen und Lernen vertragen sich allerdings nicht immer gut, da man Gelerntem gegenüber in der Regel loyal ist. Die Wiederverwendung alten Wissens verhindert oft Veränderungsprozesse. Wer lernen will, muss neugierig sein wie ein Kind, um zu erfahren, was er noch nicht weiß. Insofern geht es auch hier immer um eine Balance zwischen Wissen und Nichtwissen. Gerade, wer glaubt, etwas zu wissen, muss es aus einer anderen Perspektive betrachten, selbst wenn es Ihm albern vorkommt oder unnötig erscheint. Quelle: „Burn-In statt Burn-Out“ von Klaus Biedermann
Von Hans Klumbies