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Jugendliche wollen dazugehören

Sabrina Szameitat fragt: „Was verleitet vor allem Heranwachsende zu Mutproben?“ Michael Thiel, Diplompsychologe aus Hamburg, antwortet: „Vor allem bei pubertierenden Jugendlichen geht es immer darum, zum einen das schwankende Selbstwertgefühl zu erhöhen. Zum anderen geht es darum, dazuzugehören.“ Jugendliche sagen: „Ich möchte Teil der Community sein. Und wenn eine Mutprobe dazugehört, mache ich sie halt.“ Michael Thiel weiß, dass gerade Jugendliche Sehnsüchte nach Aufmerksamkeit, nach Belohnung und Lob haben. Sie wollen das Gefühl empfinden, dazuzugehören. Und auch danach, etwas Besonderes zu sein. Laut Michael Thiel sind diese Mutproben eigentlich Unterwerfungstests: Man unterwirft sich dem Gruppendruck. Der wirklich Mutige würde sich verweigern und deutlich „Nein!“ sagen. Eine neue Form der Mutprobe sind die sogenannten Challenges, die im Internet stattfinden. Dazu gehört zum Beispiel, in einer bestimmten Zeitspanne so und so viel abgenommen zu haben.

Mutproben sind heutzutage gefährlicher geworden

Michael Thiel erklärt: „Die Mutproben, die heutzutage stattfinden, haben in der Regel ein Ziel: Mit dem Handy aufgenommen, im Internet verbreitet zu werden und dadurch entsprechende Aufmerksamkeit und Klicks zu bekommen.“ Sabrina Szameitat fragt: „Sind Mutproben durch sie sozialen Medien wie zum Beispiel TikTok gefährlicher geworden?“ Michael Thiel antwortet: „Ja, das Ganze hat eine neue Qualität. Die Mutproben sind noch weniger kontrollierbar durch Social Media.“

Michael Thiel fährt fort: „Wenn man früher eine Mutprobe gemacht hat, dann hatte man mit realen Menschen zu tun. Die Gruppe hat dann wahrscheinlich auch geholfen, wenn etwas schief gegangen ist.“ Sabrina Szameitat fragt: „Wenn Mutproben heutzutage weniger kontrollierbar sind: Wie können Eltern ihre Kinder überhaupt schützen?“ Michael Thiel antwortet: „Ich würde mir wünschen, dass Eltern schon weit vor der Pubertät ihre Kinder dazu anregen, sich mit ihren Fähigkeiten und Talenten zu beschäftigen.“

Eltern sollte eine sichere Bindung zum Kind aufbauen

Eltern sollten kontinuierlich den Kontakt zum Kind halten und eine sichere Bindung zu ihm aufbauen. Denn fühlt sich ein Kind generell geachtet und geliebt, ist das Bedürfnis nach außerfamiliärer Bestätigung oftmals gering. Sabrina Szameitat fragt: „Und wenn doch so eine gefährliche Mutprobe stattfindet?“ Michael Thiel rät: „Nicht nur ausflippen und damit die eigene Besorgnis zeigen, sondern dann auch ruhig die elterliche Sicht möglichst realistisch und ehrlich erklären.“

In der Regel sind das Challenges im Netz, die schnell wieder verschwinden. Eltern sollten dem Kind aber auch deutlich machen: „Hier hast du eine Grenze überschritten, ich mache mir Sorgen um dich und deine Gesundheit. Wenn du irgendwas machen willst, was dir komisch vorkommt, dann komm zu mir und wir bereden das.“ Jugendliche wollen allerdings eigentlich selbst entscheiden. Haben sie aber Vertrauen und Kontakt zu den Eltern, ist die Chance höher, dass sie sich Rat holen, wen sie unsicher werden. Quelle: „Jugendliche wollen dazugehören“ von Sabrina Szameitat in der „Abendzeitung“ vom 11./12. Februar 2023

Von Hans Klumbies

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