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Sigmund Freud beschreibt den Todestrieb

Sigmund Freud schreibe an Albert Einstein im Jahr 1932: „Ich habe Bedenken, Ihr Interesse zu missbrauchen, das ja der Kriegsverhütung gilt, nicht unseren Theorien. Doch möchte ich noch einen Augenblick bei unserem Destruktionstrieb verweilen, dessen Beliebtheit keineswegs Schritt hält mit seiner Bedeutung.“ In „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“, verfasst 1915 inmitten des Ersten Weltkrieges, reflektiert Sigmund Freud über die Bindungen, die eine Gemeinschaft zusammenhalten, und über die destruktiven Mächte, die diese Bindungen zerbrechen. Judith Butler weiß: „Zu der Zeit, als er die Theorie des „Todestriebes“ entwickelt, ab 1920 und dann ausführlicher im folgenden Jahrzehnt, war seine Sorge angesichts der destruktiven Fähigkeiten des Menschen ständig gewachsen.“ Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

Eros schafft menschliche Bindungen

„Sadismus“, „Aggression“ und „Destruktivität“ wurden zu den Hauptvertretern des Todestriebs, der seine reifste Ausformulierung 1930 in „Das Unbehagen in der Kultur“ fand. Was er in „Jenseits des Lustprinzips“ zehn Jahre zuvor einen „unüberwindbaren Teil der menschlichen Natur“ genannt hatte, nimmt mit der Entfaltung einer dualistischen Metaphysik eine neue Form an. Nun steht Eros, die Kraft, die immer komplexere menschliche Bindungen schafft, Thanatos gegenüber, der Kraft, die diese Bindungen zerstört.

Judith Butler stellt fest: „Eine nachhaltige politische Ordnung setzt voraus, dass soziale Bindungen relativ unangetastet bleiben können.“ Wie wird sie dann aber mit der von Sigmund Freud beschriebenen destruktiven Kraft fertig? Destruktivität in einer Form, wie sie im Ersten Weltkrieg angewendet wurde, war bis dahin unbekannt gewesen. Mit neuen Waffen wuchs zwar die Zerstörungskraft gegenüber früheren Kriegen, aber das Ausmaß der Grausamkeit scheint Sigmund Freud das gleiche zu sein.

Grausamkeit allein kann die Destruktivität nicht erklären

Das Problem scheint also nicht darin zu liegen, dass die Menschen grausamer geworden sind, sondern darin, dass die Technik dieser Grausamkeit mehr Zerstörungskraft gibt als zuvor. Ein Krieg ohne diese Waffen wäre weniger zerstörerisch, aber nicht weniger grausam. Sigmund Freud scheint also der Auffassung zu widersprechen, dass die Grausamkeit selbst durch neue Technologien zunimmt. Die Destruktivität nimmt seiner Meinung nach neue und historisch wandelbare Formen an, aber die Grausamkeit bleibt die gleiche.

Menschliche Grausamkeit allein kann also Destruktivität nicht erklären; auch die Technologie spielt dabei eine Rolle. Judith Butler erklärt: „Aber die spezifisch menschliche Fähigkeit zur Zerstörung ist auf die ambivalente psychische Konstitution des menschlichen Subjekts zurückzuführen.“ Für die Frage nach Möglichkeiten der Eindämmung der Destruktivität spielen also, insbesondere im Kontext des Krieges, Ambivalenz und Technologie eine Rolle. Kriegsführung gilt allgemein als für Nationen spezifische Handlung, aber die den Krieg antreibende blinde Wut zerstört eben die sozialen Bindungen, die Nationen erst ermöglichen. Quelle: „Die Macht der Gewaltlosigkeit“ von Judith Butler

Von Hans Klumbies

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