Der IQ bestimmt die Intelligenz
Lange Zeit stritt man in Fachkreisen herum, ob die Dummheit Voraussetzung oder Folge psychischer Erkrankungen sei oder ob die Intelligenzstörung als Prinzipienfrage zu behandeln wäre. Heidi Kastner erläutert: „Manche erblickten ihren Ausgangspunkt im Auftreten von Wahnideen mit derart verquerer Logik, wie sie ein gesundes, mit allen üblichen Fähigkeiten ausgestattetes Gehirn wohl unmöglich ersinnen konnte.“ Der Mensch wurde also wahnsinnig und erst dadurch dumm. Andere wie der Psychiater Theodor Kirchhof, Ende des 19. Jahrhunderts, sahen den Schwachsinn als unabdingbare Voraussetzung solcher Phänomene. Der Mensch war also schwach-sinnig und entwickelte deshalb wahn-sinnige Ideen. Der Psychiater Eduard Hitzig schrieb 1895 dazu: „Die beim Querulanten beherrschende Wahnvorstellung, rechtlich benachteiligt zu sein, kann Folgen wie den eigenen Ruin natürlich nur nach sich ziehen, wenn ein gewisser Schwachsinn zugrunde liegt, der eine vorurteilslose Abwägung der Verhältnisse unmöglich macht.“ Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Seit 2005 ist sie Chefärztin der forensischen Abteilung der Landesnervenklink Linz.
Bei schwerer Intelligenzminderung liegt der IQ unter 34
Eduard Hitzig fährt fort: „Wenn in der Anstalt die reizbare Stimmung zurücktritt, ist man oft ganz überrascht über den jetzt harmlos vorgebrachten Grad von Urteilsschwäche, mit dem aus dem vermeintlich erlittenen Unrecht maßlose Ansprüche abgeleitet werden; mit Forderungen von Millionen, zusammengerechnet aus den verjährten und verzinsten Ansprüchen, ist die geistige Leistungsfähigkeit beendet.“ Die diagnostischen Kriterien der Psychiatrie benennen unterschiedliche Formen von Intelligenzminderung, die anhand des messbaren IQ definiert werden.
Die umfassendste Ausprägung wird von der WHO, die eines von zwei weltweit gültigen Diagnosemanualen herausgibt, als „schwere Intelligenzminderung“ benannt, wobei der IQ hier unter 34 liegt. Heidi Kastner stellt fest: „Klinisch handelt es sich um schwer beeinträchtigte Menschen mit ausgeprägten Störungen der Bewegungsabläufe, die kaum je Sprache erwerben und wenn, dann über Laute, die zur Mitteilung der Basisbedürfnisse genutzt werden, kommunizieren.
Bei mittelschwerer Intelligenzminderung findet eine soziale Entwicklung statt
Die Ursachen liegen oft in einer mit apparativen Methoden feststellbaren angeborenen Schädigung der Hirnsubstanz, die zumeist auf intrauterinen Erkrankungen oder auf genetischen Normabweichungen beruht. Ein identes klinisches Bild kann sich auch nach schweren Schädel-Hirn-Verletzungen im späteren Leben oder bei fortgeschrittener Demenz einstellen, sodass wohl nicht primär die Intelligenz, sondern die dafür erforderliche „hardware“ als funktionsbeeinträchtigt anzusehen ist.
Die „mittelgradige Intelligenzminderung“ beruht auf analogen Ursachen, der IQ liegt zwischen 35 und 49. Heidi Kastner erläutert: „Die Betroffenen benötigen lebenslang Unterstützung in allen alltäglichen Belangen. Bei ausreichender Beaufsichtigung und Anleitung können sie einfachen, gut strukturierten, meist repetitiven Tätigkeiten nachgehen. Der Spracherwerb ist verzögert, die motorischen Fähigkeiten sind meist unbeeinträchtigt. Im Diagnosemanual der WHO wird explizit darauf hingewiesen, dass bei der Mehrzahl eine soziale Entwicklung stattfindet, dass sie mit anderen Kontakt aufnehmen, kommunizieren und an einfachen sozialen Aktivitäten teilnehmen. Quelle: „Dummheit“ von Heidi Kastner
Von Hans Klumbies