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Ein Einsiedler meidet den äußeren Kontakt

Ein Einsiedler, der seine Berufung richtig versteht, zieht sich nicht vom Kontakt generell zurück, sondern vom äußeren Kontakt. Andreas Salcher erläutert: „Das ermöglicht ihm, die innere Verbundenheit zu erneuern, ohne die jede äußere Beziehung meist oberflächlich bleibt. Diese Botschaft steckt in der Fabel vom Einsiedler.“ Er wird von anderen Menschen gefragt: „Was findest du denn in deiner Höhle, wenn du dich immer weiter zurückziehst?“ Er antwortet: „Alle Tränen der Welt.“ Damit sind aber nicht, wie man vielleicht glauben könnte, die Tränen der Trauer, sondern die Tränen der Ergriffenheit und Freude gemeint, darum sagt er „alle Tränen“. Andreas Salcher ist Mitgebegründer der „Sir Karl-Popper-Schule“ für besonders begabte Kinder. Mit mehr als 250.000 verkauften Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.

Eine zeitgemäße Form des Rückzugs ist die Klausur

Sie stehen für die Verbundenheit mit allen Menschen. Die Geschichte räumt mit manch romantischer Vorstellung vom Eremitendasein auf. Dieses verlangt die ehrliche Konfrontation mit sich selbst und mit „allen Tränen der Welt“. Die Sehnsucht nach Weite oder Tiefe ist sehr unterschiedlich bei den Menschen ausgeprägt. Andreas Salcher betont: „Wir brauchen jedenfalls beides, den Rückzug in die eigene Tiefe und den Mut, immer wieder in die äußere Welt aufzubrechen und offen für neue Beziehungen zu sein.

Viele Künstler benötigen den totalen Rückzug, um ihre Einsamkeit in einem kreativen Akt transformieren zu können. Künstlerische und kreative Talententfaltung erfordert oft Phasen des Alleinseins. Nicht nur Künstler, sondern auch spirituelle Führer zogen sich vor großen Entscheidungen zurück. So begannen die drei abrahamitischen Weltreligionen mit einem Rückzug. Eine zeitgemäße Form des Rückzugs ist heute die Klausur. Darin steckt das lateinische Wort „claudere“, das abschließen bedeutet.

Die Geißel der Einsamkeit ist die Verbitterung

Andreas Salcher stellt fest: „Wenn wir Zeit für uns allein brauche, müssen wir uns nicht gleich 40 Tage in die Wüste zurückziehen, sondern können auch mit uns selbst in Klausur in ein Kloster oder eine Berghütte gehen.“ Aus innerer Leere wird dann im Idealfall die innere Ruhe. Es gibt ein gutes Alleinsein, das negative ist die Einsamkeit. Im ersten Fall ist man zwar allein, aber mit anderen trotzdem verbunden, in der Einsamkeit ist man von anderen abgetrennt.

Um das Verbundensein kommt auch der Alleinlebende nicht herum. Wer keine Verbundenheit schafft, dem droht die Geißel der Einsamkeit – die Verbitterung. Würden alle alten Menschen wegen Krankheit oder Einsamkeit ihrem Leben aus eigenem Antrieb ein Ende setzen, wäre die Selbstmordrate noch höher, als sie ohnehin schon ist. Einsame Menschen stecken mit ihren Suizidgedanken in einer besonderen Falle. Einerseits sind sie hoch gefährdet, andererseits gehen sie so gut wie nie zum Therapeuten – denn dahin gehören nach den Vorstellungen ihrer Generation nur „Verrückte“. Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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