Wut kann viel Leid erzeugen
Aristoteles, der sich durchaus bewusst war, welche Bedeutung Zorn im menschlichen Leben spielt. Er schrieb in seinem Werk „Politik“: „Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“ Aus evolutionärer Sicht soll die Wut einem Menschen zwar nützen, aber häufig schadet sie ihm auch. Nicht nur wegen des psychischen Leidens, das Wut auslösen kann. Daneben auch wegen möglicher Auswirkungen auf die Beziehungen zu jenen Menschen, auf die der Unmut zielt. Eyal Winter ergänzt: „Häufig können wir unsere Wut nicht zügeln, wenn sie uns nicht nur nicht nützt, sondern sogar schadet.“ Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.
Das Erröten entsteht durch ein Gefühl der Verlegenheit
Auch andere emotionale Reaktionen mit evolutionären Vorteilen können soziale Barrieren aufbauen oder einem Menschen ein Bein stellen. Zum Beispiel, wenn er richtige Entscheidungen treffen muss. In manchen Fällen kann der evolutionäre Vorteil bestimmter Emotionen in der heutigen Zeit durch Nachteile überlagert werden. Das Erröten ist dabei ein interessantes Beispiel. Es entsteht durch ein Gefühl der Verlegenheit, das eindeutig eine soziale Emotion ist. Wenn sich jemand schämt oder geniert, möchte er auf gar keinen Fall Aufmerksamkeit erregen.
Wenn der Errötete könnte, würde er in solchen Augenblicken am liebsten unsichtbar werden. Aber genau dann stellt ihn die Natur gleichsam ins Rampenlicht, indem sie seinen Kopf rot anlaufen lässt. Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, widmete dem Erröten ein ganzes Kapitel in seinem Buch „Der Ausdruck der Gefühle bei Mensch und Tier“. Er bezeichnete das Erröten als eines der unverwechselbaren Merkmale des Menschen. Das Erröten ist zudem ein verlässliches Signal, dass der Errötende seinem Umfeld übermittelt. Damit bestätigt er, dass etwas Unzumutbares geschehen ist oder dass von gesellschaftlichen Normen abgewichen wurde.
Ohne Reue begeht man immer wieder die gleichen Fehler
Dieses Signal des Errötens ist genau deswegen verlässlich, weil es sich der menschlichen Kontrolle entzieht und es niemand bewusst vortäuschen kann. In der Vergangenheit diente es den Interessen des Errötenden, indem es soziale Sanktionen überflüssig machte. Jüngste empirische Studien zeigen, dass Personen, die gegen gesellschaftliche Normen verstoßen und deswegen erröten, von anderen weniger negativ gesehen werden als Personen, die nicht erröten. Die Schamesröte tritt allerdings auch in anderen Situationen auf, etwa wenn jemand überschwänglich gelobt wird.
In solchen Fällen ist das Erröten gesellschaftlich gesehen weniger vorteilhaft als Nichterröten. Reue ist ebenfalls eine Gefühlsreaktion, die ganz klare evolutionäre Vorteile birgt, sich aber auch negativ auswirken kann, indem sie zu suboptimalen Entscheidungen verleitet. Eyal Winter erklärt: „Wer nie etwas bedauert, ist dazu verdammt, immer wieder die gleichen Fehler zu begehen.“ Irrationales Bedauern tritt am häufigsten in alltäglichen Situationen auf und es verleitet einen dazu, unausgewogene Entscheidungen zu treffen, bevor man alle Fakten gesammelt und das eigene Handeln rational überdacht hat. Quelle: „Kluge Gefühle“ von Eyal Winter
Von Hans Klumbies