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Die Wohlstandsverwahrlosung breitet sich aus

Auch Kinder aus wohlhabenden Verhältnissen können sehr arm sein – innerlich arm. Es fehlt ihnen an Zuwendung durch die Eltern, an Zeiten, in denen ihnen einfach nur zugehört wird, an Interesse an ihrem Leben, Fühlen und Denken und vor allem mangelt es ihnen an Zuneigung. Eltern, die keine Zeit für ihre Kinder haben, versuchen das häufig durch materielles Verwöhnen auszugleichen. Klaus Biedermann weiß: „Oft leben Kinder, die unter Wohlstandsverwahrlosung leiden, in einer nach außen hin intakten Familie. In dieser herrscht jedoch schon das große Schweigen zwischen den Eltern.“ Typische Verwöhnfallen können sich auch aus anderen Situationen ergeben: Eltern, die durch eine Trennung in einen materiellen Wettstreit treten, berufstätige Mütter oder auch alleinerziehende Väter, die versuchen, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

Kinder benötigen Wertschätzung

Eltern, die das alles selbst erfahren haben, versuchen sich die Liebe ihrer Eltern zu kaufen. Sie haben Angst davor, ein Nein könnte Liebesentzug durch das Kind zur Folge haben. Klaus Biedermann schränkt ein: „Selbstverständlich haben nicht alle Eltern mit hoher Arbeitsbelastung und Einkommen automatisch ein wohlstandsverwahrlostes Kind zu Hause.“ Denn nicht jeder, der wenig Zeit für sein Kind hat, lässt dieses emotional verkümmern. Wichtig ist die Qualität der Beziehung und wie die gemeinsame Zeit erlebt wird.

Auch Eltern, die viele Stunden am Tag mit ihren Kindern gemeinsam verbringen, können dennoch ihre Kinder emotional verhungern lassen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn diese Zeit vor dem Fernsehgerät verbracht werden soll. Zu den Grundbedürfnissen eines Kindes gehören nicht nur Essen, Trinken, saubere Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Es gehören auch dazu die Befriedigung seines Schutzbedürfnisses, Anregung, Verlässlichkeit, Verständnis und körperliche wie seelische Wertschätzung.

Wohlstandsverwahrlosten Kindern fehlt es an Grenzen

Kinder brauchen zudem eine sichere Bindung und emotionale Zuwendung. Wohlstandsverwahrlosten Kindern fehlt es aber nicht nur an Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse, es fehlt ihnen auch an Grenzen. Denn diese zu setzen, Konflikte auszutragen und auszuhalten, kostet Zeit. Damit sie keine Zeit opfern müssen, geben Eltern nach und sorgen so zunächst einmal für Ruhe. Aber langfristig macht dieses Nachgeben die Kinder orientierungslos und oft tyrannisch.

Klaus Biedermann warnt: „Die emotional verwahrlosten Kinder von heute sind die emotional verwahrlosten und verwahrlosenden Eltern von morgen.“ Kinder müssen die Erfahrung machen dürfen, dass sie phasenweise fremdbestimmt leben, dass sie sich auf ein Gegenüber oder eine Situation einstellen müssen – und nicht umgekehrt, wie es leider heute oftmals der Fall ist. Auch einem Kind darf bewusst werden, dass es durch unangenehme Begegnungen Erfahrungen macht, die sich für sein späteres Leben vielleicht als wertvoll erweisen. Quelle: „Burn-In statt Burn-Out“ von Klaus Biedermann

Von Hans Klumbies

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