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Die meisten Ideen entstehen aus Bekanntem

Schöpferisches Denken entspringt dem kollektiven Gehirn. Stefan Klein erklärt: „Ein Mensch, der ein Problem zu lösen versucht, […] wird scheitern, wenn er nach dem Idealbild des Originalgenies meint, alle Einfälle aus sich selbst schöpfen zu können.“ Aussicht auf Erfolg hat nur, wer die in einer Kultur geronnenen Erfahrungen anderer kennt und zur Grundlage seiner Überlegungen macht. Das im kollektiven Gehirn gespeicherte Wissen ist das Material, aus dem sich Ideen formen. Denn die meisten Ideen entstehen aus der Kombination von Bekanntem. Seit ihren Anfängen ist Kultur ein Baukasten, der sich selbst zu erweitern vermag: Menschen verbinden Konzepte zu neuen Konzepten. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

Schöpferisches Denken ist die Kunst der Kombination

Je weiter sich eine Kultur entwickelt, je mehr Wissen, Erfahrungen und Vorstellungen sich im kollektiven Gedächtnis sammeln, umso größer wird der Raum an Möglichkeiten für neue Ideen. Nach einer gängigen Theorie ist schöpferisches Denken nichts weiter als die Kunst der Kombination. „Kreativität besteht schlicht darin, Dinge zu verbinden“, behauptete etwa Steve Jobs, der offenbar selbst daran zweifelte, das Originalgenie zu sein, für das man ihn hielt. Die Radikalität, mit der Jobs sie vertrat, trifft die Theorie allerdings nicht zu.

Stefan Klein weist darauf hin, dass sich keineswegs alle Ideen als eine Zusammenstellung von Bekanntem erklären: „Tatsächlich ist Kombination nicht die einzige, wohl aber die einfachste Form der Kreativität – und damit ihr Königsweg.“ Nur der Mythos behauptet, dass die Menschheit Druckerpresse, Dampfmaschine, Automobil, Glühbirne oder Flugzeug den Eingebungen jeweils eines genialen Mannes verdanken. Tatsächlich gingen sie alle schrittweise aus mehreren älteren Erfindungen hervor.

Neues in der Wissenschaft entstand durch gekonnte Montage

Diese Meilensteine der modernen Technik entwickelten sich nach demselben Prinzip, nach dem vor Jahrtausenden die Inuit den ersten Hundeschlitten erfanden: durch Kombination. Stefan Klein stellt fest: „Auch Kunst und Wissenschaft bieten viele Beispiele, wie durch gekonnte Montage Neues entstand.“ Einige der wichtigsten Einsichten der Wissenschaft verdankt die Menschheit der intellektuellen Leistung, einen bekannten Zusammenhang auf einen scheinbar ganz anderen Bereich zu übertragen.

Diese intellektuellen Leistungen erlauben es zudem, Erkenntnisse einer Disziplin in einer anderen nutzbar zu machen. Als die beiden amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Fischer Black und Myron Scholes im Jahr 1973 eine Gleichung für den Preis von Optionen aufstellten, läuteten sie ein neues Zeitalter an den Börsen ein. Die erforderliche Mathematik war vertrackt, doch Black und Scholes fanden eine überraschende Lösung: Ihre Gleichung ließ sich so umschreiben, dass sie der physikalischen Formel für Wärmeleitung entsprach. Quelle: „Wie wir die Welt verändern“ von Stefan Klein

Von Hans Klumbies

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