Selbstwirksamkeit stärkt die innere Freiheit
Das Schreiben ist nur ein Beispiel für das Prinzip der Selbstwirksamkeit, das gerade unter schwierigen Bedingungen so wichtig ist. Damit hat ein Mensch in einer Zwangssituation wenigstens einen Bereich gefunden, den er unter Kontrolle hat und in dem er sich selbst als wirksam erlebt. Ulrich Schnabel erläutert: „Denn die Erfahrung der Selbstwirksamkeit stärkt nicht nur die eigene Würde und die innere Freiheit, sondern geht auch mit einem Gefühl der Freude einher.“ Solche positiven Empfindungen sind die größten Gegenspieler von negativen Gefühlen wie Angst, Sorge und Verzweiflung. Deshalb spürt, wer sich als selbstwirksam erlebt, in diesem Moment keine Angst, sondern Zuversicht. Natürlich gibt es tausenderlei Möglichkeiten, dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit zu erfahren. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.
Erfahrungen der Selbstwirksamkeit sind psychologisch wohltuend
Auch bei künstlerischen Aktivitäten, beim Malen, Dichten oder Musizieren, schwingt stets das beflügelnde Gefühl der Selbstwirksamkeit mit. Ebenso bei praktischen Tätigkeiten wie dem Kochen, Nähen oder Heimwerken. Deshalb erfreuen sich zum Beispiel die sogenannten Reparaturcafés so großer Beliebtheit. Gerade in Zeiten der digitalen Globalisierung, in der sich das Gefühl ausbreitet, vielen Entwicklungen hilflos ausgesetzt und nur ein kleines Rädchen in einer gigantischen Maschinerie zu sein, sind solche Erfahrungen der Selbstwirksamkeit psychologisch wohltuend.
Auch wenn manche das Basteln, Kochen oder Gartenarbeiten als naiv und unpolitisch belächeln mögen – solche Aktivitäten stimmen allemal zuversichtlicher als passive Konsumerlebnisse wie etwa Fernsehschauen. Ulrich Schnabel möchte damit nicht sagen, dass man die Augen vor dem Weltgeschehen verschließen und sich nur noch ins heimische Gärtchen zurückziehen soll. Es gilt eher das Gegenteil. Denn nur wer es versteht, sich auch angesichts erschreckender Nachrichten und drückender Weltprobleme ein gewisses Maß an Selbstwirksamkeit zu bewahren, kann sich politisch engagieren und konstruktiv tätig werden.
Die digitalen Medien betonen negative Gefühle
Ulrich Schnabel stellt fest: „Sonst stellt sich angesichts des unendlichen Nachrichtenstroms, der uns tagtäglich mit News und Konflikten aus jedem Winkel der Welt versorgt, leicht das lähmende Gefühl der Ohnmacht ein.“ Die düsteren Gedanken, die dadurch entstehen, werden übrigens oft noch verstärkt durch die spezielle Dynamik der modernen Netzwelt. Denn die digitalen Medien – auch die sogenannten „sozialen“ – sind in der Regel auf ein schnelles Feedback ausgerichtet.
Und das funktioniert mit negativen Emotionen naturgemäß leichter als mit positiven. Deshalb würden die digitalen Medien dazu tendieren, „negative Gefühle zu betonen“, was im Netz leicht „zu einer Welle von Negativität“ führe, erklärt der Internetexperte Jaron Lanier. Negative Emotionen entstehen seiner Meinung nach schneller und ebben langsamer wieder ab. Man kann sehr schnell Angst bekommen, aber es dauert lange, sich wieder zu entspannen. Auf der anderen Seite dauert es lange Vertrauen aufzubauen, aber man kann es sehr schnell wieder verlieren. Quelle: „Zuversicht“ von Ulrich Schnabel
Von Hans Klumbies