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Selbstunsichere Persönlichkeiten sind leicht kränkbar

Besonders anfällig für Kränkungen sind Personen mit einer selbstunsicheren Persönlichkeit. Oder wie es in der psychiatrischen Terminologie heißt ängstlich-vermeidenden Persönlichkeit. Also Menschen, die in ihrem Sozialverhalten ständig irritiert sind und unter sozialen Ängsten leiden. Reinhard Haller erläutert: „Sie werden beherrscht von übergroßer Empfindsamkeit gegenüber der Ablehnung durch ihre Mitmenschen und stehen in einem dauerhaften Konflikt zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst, von anderen zurückgewiesen zu werden.“ Sie trauen sich kaum, eigene Entscheidungen zu treffen, da sie fürchten, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Wenn sie zwischenmenschliche Nähe suchen, haben sie gleichzeitig extreme Angst vor allzu engem Kontakt. Daraus resultiert ein unlösbarer Konflikt zwischen „Bindungsangst“ und „Bindungssehnsucht“. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Eine schroffe Maske verbirgt oft chronische Ängste

Innerhalb der ängstlich-vermeidenden und selbstunsicheren Persönlichkeitsstörungen lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Zum Ersten die kühl-distanzierten Menschen, die aus Angst vor einer Kränkung nicht in der Lage sind, warme Gefühle auszudrücken und enge Beziehungen einzugehen. Die zweite Gruppe umfasst Personen, die in der Angst leben, von anderen ausgenutzt oder beschämt zu werden und dadurch zu Sozialphobikern werden. Da sich ihre Angst auf Zurückweisungen und Beschämungen, auf öffentliches Reden oder auf Diskussionen in Gruppen bezieht, meiden sie mehr und mehr solche Situationen.

Alle Formen der Persönlichkeitsstörungen mit sozialen Ängsten werden zurückgeführt auf unbefriedigte fundamentale Bedürfnisse wie Liebe und Selbstsicherheit, auf erlebte Hilflosigkeit und auf Angst vor Kränkungen. Reinhard Haller weiß aus seiner Praxis: „Nicht selten treten solche innerlich leicht verletzliche Menschen mit einer schroffen äußeren Maske auf, hinter der man die chronischen Ängste und ihre Gekränktheiten nicht leicht erkennt.“

Zurückweisung führt zur Selbstabwertung

Entwicklungspsychologisch wird für Kränkungen dieser Art eine fortwährende elterliche Zurückweisung, sei diese aktiv oder unabsichtlich, verantwortlich gemacht. Dadurch sind die natürlichen Psychoenergien und eigenen Möglichkeiten bald erschöpft. Die von außen erfahrene Zurückweisung führt zu Selbstabwertung, durch die Kontakte und Beziehungen angstbesetzt sind. Im sozialen Kontakt wirken die Betroffenen häufig unzufrieden, gequält und distanziert, auf Außenstehende als Zäh und stockend. Nach Peter Fiedler, einem psychologischen Forscher der Universität Heidelberg, ist die erhöhte Verletzlichkeit von selbstunsicheren Personen durch fünf Bedingungen charakterisiert.

Zentral ist bei ihnen die Angst vor Ablehnung vermeintlicher Mängel. Sie neigen übermäßig zur Selbstkritik. Dazu kommt eine zu hohe Erwartung an zwischenmenschliche Beziehung. Viertens gibt es bei ihnen eine durchgängige Fehleinschätzung der Bedrohlichkeit der Reaktionen anderer und schlussendlich eine gewohnheitsmäßige Abwertung positiver Informationen. Weil die ängstlich-vermeidende Persönlichkeit durch basale Ängste vor negativen Beurteilungen, durch Schüchternheit und ein durchgängiges soziales Unbehagen bestimmt ist, wirs die auch als selbstunsichere Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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