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Alle Menschen entwickeln Rachefantasien

Jeder Mensch kennt Rachegefühle und wälzt solche Gedanken, manche verspüren ein Drängen zur rächenden Tat und fühlen den einschlägigen Impuls. Reinhard Haller ergänzt: „Andere schreiten tatsächlich zur Handlung. Aber alle, so lässt sich behaupten, entwickeln Rachefantasien. Oft haben solche Vorstellungen spielerischen Charakter, manchmal drängen sie sich auf, nicht selten werden sie zwanghaft.“ Häufig baut man sie aus, in immer aufgebauschterer Form, dann wieder kann man sie zur Seite legen und sich von ihnen lösen. Mitunter haben sie einen krankhaften Charakter. Fantasie, nach seinem Wortursprung „Erscheinung“ oder auch „Traumgesicht“ heißend, ist eine kreative Fähigkeit, mit der Vorstellungen und innere Bilder erzeugt werden. Sie ist aber mehr als eine „Nachwirkung der Wahrnehmung“, wie sie Aristoteles definiert hat, auch mehr als ein „Denken in Bildern“. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Rachefantasien bauen aggressive Impulse ab

Die Fantasie lebt von der Fähigkeit zur Assoziation und zur Synthese neuer Gesamtvorstellungen. Wie die Kreativität ermöglicht sie ein Denken über die Realwelt hinaus. In der Emotionsforschung gilt sie als eine der wesentlichen Voraussetzungen der Empathie, für die Kognitionswissenschaft ist sie unersetzbare Bedingung zweckgerichteten Handelns. Nach tiefenpsychologischem Verständnis ist Fantasie erforderlich, wenn Triebe unterdrückt werden müssen und nicht ausgelebt werden können.

Damit ist Reinhard Haller wieder bei der Rache: „Solche Fantasien sind Ventile zur Befriedigung der Rachebedürfnisse und führen zum Abbau von aggressiven Impulsen. Wenn es gelingt, die Rachebedürfnisse in der Fantasie zu befriedigen, wird viel an manifester Gewalttätigkeit verhindert.“ So kann man die Rachespirale rechtzeitig bremsen und den Rachezyklus von vorn herein unterbinden. Rachefantasien wirken zudem erleichternd und wirken zumindest kurzfristig wohltuend. Sie können jedoch durchaus auch gefährlich sein.

Im Ersinnen von Rachehandlungen gibt es keine Grenzen

In der Erstellung von Gefährlichkeitsprognosen bei Gewalttätern zählt die Analyse der Rachefantasien zu den wichtigsten Methoden. Sind diese sadistischer, grausamer, intensiv aggressiver oder schwer perverser Natur, besteht eine permanente Gefahr der Umsetzung in konkrete Racheaktionen. Ebenso ist es bedenklich, wenn die Fantasien aufdrängenden, zwanghaften Charakter haben, sodass sich die Betroffenen nicht von ihnen lösen können. Allerdings ist es nicht einfach, von außen an solche Rachefantasien heranzukommen, weil sie von der betroffenen Person meist eisern verschwiegen werden.

Reinhard Haller stellt fest: „Im Ersinnen von Rachehandlungen scheint der negativen menschlichen Fantasie keine Grenze gesetzt, sie reichen von kleinen Bosheiten bis zu Rachefeldzügen, vom Revanchefoul bis zum Rachekrieg.“ Manchmal erfolgt die Rache impulsiv und kaum geplant, manchmal verzögert und strategisch bis ins Letzte durchdacht. Rache im Affekt wird deshalb als „heiß“ und jene nach großem zeitlichem Intervall als „kalt“ bezeichnet. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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