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Nicht jeder kann bei einer Seelenkrise helfen

Joachim Bauer weiß: „Was einem Menschen, der sich in einer seelischen Krise befindet, hilft, ist ruhige Präsenz und ein unaufgeregtes Gespräch darüber, was vorgefallen ist, wie sich die Lage darstellt und was dem Anderen Sorgen macht.“ Nicht jeder ist jedoch gleichermaßen geeignet, einem psychisch belastenten Mitmenschen Hilfe zu leisten. Hilfreich können nur Menschen sein, die selbst nicht in Not sind und sich darüber hinaus beim Hilfesuchenden ein hinreichendes Maß an Vertrauen erworben haben. Oft sind in Angelegenheiten der Seele ungeeignete Helfer am Werk. Sich mit den Problemen anderer zu befassen, lässt manche dem Mechanismus der Projektion folgend, die eigenen Nöte vergessen. Aber auch dann, wenn Menschen tatsächlich befähigt sind, gute Hilfe anzubieten, können sie, wenn sich noch kein hinreichendes Vertrauen entwickelt hat, nicht unvermittelt zu guten Helfern werden. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

Jeder sollte sich das eigene Selbst zum Freund machen

Der Helfer muss, bevor er Zugang zum Selbst des Hilfesuchenden finden kann, zu einem nahestehenden, signifikanten Du werden. Das gilt gleichermaßen für Ärzte, Pflegekräfte, für schulische Lehrkräfte, Anwälte, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten. Joachim Bauer erläutert: „Zu einem signifikanten Anderem wird man durch Präsenz, geduldiges Zuhören und durch ein Aushalten und Stehen-lassen-Können dessen, was mir die oder der Hilfesuchende erzählt.“

Dazu bedarf es einer Ausbildung und – im Falle von Psychotherapeuten – einer sogenannten Lehrtherapie, die sicherstellen soll, dass nicht Probleme des Psychotherapeuten die Therapie belasten. Joachim Bauer stellt fest: „Je mehr der Mensch dem hilflosen Zustand der frühen Kindheit entwächst, desto mehr wachsen seine Fähigkeiten zur Selbst-Fürsorge.“ Selbst-Fürsorge meint beides: die vom Selbst ausgeübte Fürsorge und die Fürsorge für das Selbst. Wie kann man gut für sich sorgen? Eine der zentralen, dem Menschen vom Leben gestellten Aufgaben ist es, das eigene Selbst zum Freund zu machen.

Selbstfürsorge führt zu Momenten des zweckfreien Daseins

Weil sie sich vor der Begegnung mit dem Selbst fürchten, suchen viele Menschen die permanente Ablenkung. Joachim Bauer stellt fest: „Hoher Arbeitsdruck, die ohne Unterlass an uns gerichteten Botschaften der Konsumgesellschaft und die uns ununterbrochen adressierten digitalen Kommunikationsmittel versetzen den modernen Menschen in eine ständigen Reiz-Reaktions-Modus und halten ihn in gefährlichem Ausmaß davon ab, mit sich in Kontakt zu sein.“

Selbstfürsorge bedeutet, sich als Mensch nicht ganz und gar zum Zweck für etwas machen zu lassen, sondern die Tür zu öffnen zu Momenten des zweckfreien Daseins, zum So-Sein-Dürfen, zum ungerichteten Gedankenwandern und zum Träumen, kurz: zur Muße. Joachim Bauer rät: „Sehr hilfreich kann es sein, mit meditativen Techniken zumindest kurze Momente der inneren Ruhe zu finden. Zwei sehr gut geeignete Verfahren sin die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und die Yogapraxis.“ Quelle: „Wie wir werden, wer wir sind“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies

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