Jeder Mensch hat ein positives Potenzial
Von Aristoteles über Cicero, Seneca zu Erasmus von Rotterdam, Philipp Melanchton bis hin zu Abraham Maslow, Carl Rogers und Erich Fromm prägten humanistische Gedanken die Philosophie, Psychologie und Pädagogik quer durch die Jahrtausende Europas. Michaela Brohm-Badry weiß: „Und bei alledem ging es immer um den Kerngedanken des Humanismus: die Betonung des positiven Potenzials des Menschen.“ In ihrem Standardwerk der Einführung in die Psychologie (2008) führen Richard J. Gerrig und Philipp Zimbardo aus, dass Menschen aus humanistischer Perspektive ein starkes Bedürfnis haben, ihr volles Potenzial zu entfalten, nach seelisch gesunder Selbsterfüllung streben, und diese sei eine „konstruktive, lenkende Kraft, die jeden Menschen zu generell positiven Verhaltensweisen und einem Wachstum des Selbst hinführt“. Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry ist Professorin für Lernforschung. Sie war langjährige Dekanin des Fachbereichs Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Universität Trier.
Menschen sind von Grund auf gut
Menschen werden in der humanistischen Psychologie „als aktive Geschöpfe angesehen, die von Grund auf gut sind und über die Freiheit der Wahl verfügen“. Carl Rogers legte die „natürliche Tendenz des Individuums zu geistiger Weiterentwicklung und Gesundheit“ zugrunde. Humanisten betonen die „natürliche Tendenz des Individuums zu geistiger Weiterentwicklung“. In der flüchtigen Welt der Gegenwart scheint es oft so, als sei alles gleich richtig, gleich wichtig, gleich gut. Doch es ist nicht so.
Mit dem humanistischen Menschenbild steht man heutzutage in einer jahrtausendealten Tradition Europas – zum Wohle der Menschen, zum Wohle von allen. Eudaimonia und Humanismus. Michaela Brohm-Badry fügt hinzu: „Das ist die Tradition der Aufrechten. Auf das können wir bauen. Was für eine Befreiung.“ In den Sechzigerjahren formierte sich in den USA mit der Human Potential Movement (HPM) eine Bewegung, die als Gegenkultur begann und das menschliche Potential in den Blick nahm.
Jeder sollte sein eigenes Persönlichkeitspotenzial freisetzen
Psychologen, Pädagogen, Soziologen, Trainer, Berater trafen sich in einem Schulungszentrum in Esalen in der Nähe von San Francisco und entwickelten gemeinsam Konzepte, mit denen das menschliche Potenzial entwickelt werden sollte. Den Gründungsmitgliedern Michael Murphy und Dick Price schlossen sich im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte immer mehr Psychologen und Pädagogen an. Gemeinsam nahmen sie an, dass das menschliche Potenzial zwar prinzipiell sehr breit im Menschen angelegt ist, oft aber durch einengende Rahmenbedingungen weitgehend unerschlossen bleibt.
Michaela Brohm-Badry stellt fest: „Durch die Entwicklung der menschlichen Möglichkeiten sollte, so die Anhänger der Human Potential Movement, eine außergewöhnlich hohe Lebensqualität voller Glück, Kreativität und Erfüllung möglich sein.“ Zentral sei demnach, damit anzufangen, das eigene Persönlichkeitspotenzial freizusetzen. „Die Welt braucht diejenigen, die an unsere gemeinsame Menschlichkeit glauben, die die Entwicklung aller Individuen und Gemeinschaften verstehen und fördern – Körper, Geist, Herz und Seele“, sagt Michael Murphy, einer der Begründer der HPM. Quelle: „Aufbrechen“ von Michaela Brohm-Badry
Von Hans Klumbies