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Vertrauen kann Verletzungen hervorrufen

Vertrauen heißt in gewisser Weise, jemanden etwas tun lassen, was nicht jeder tun darf. Dabei geht es Martin Hartmann hier wieder um Verletzungen, die man einem Menschen zufügen kann, weil er vertraut: „Oft wissen wir gar nicht so genau, welche Verletzungen durch Vertrauen entstehen können, weil in einer Beziehung eben auch ganz neue Verletzlichkeiten entstehen, die vorher gar nicht gegeben waren.“ Mit anderen Worten, im Vertrauen räumt man anderen Freiheiten ein, von denen man nicht genau weiß, wie sie diese Freiheiten nutzen werden. Man weiß folglich auch nicht genau, worauf man sein Vertrauen eigentlich richtet. Es ist nicht einfach so, dass der andere vertrauenswürdig ist und man deswegen vertraut. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

Helikoptereltern vertrauen ihren Kindern nicht

Es wird in einer Vertrauensbeziehung immer auch Spielräume geben, die erst durch das Vertrauen entstehen und folglich im anderen neue, vorher gar nicht vorhandene Handlungsmöglichkeiten schaffen. Martin Hartmann erklärt: „Im Vertrauen erkenne ich andere an, dadurch können sie wachsen und die eingeräumten Freiheiten gleichsam ausprobieren.“ An welchem Punkt also das Vertrauen enttäuscht wird, ist nicht so klar festgelegt wie etwa in manchen Rechtsbeziehungen.

Es muss ausgelotet werden in der Beziehung selbst, auch das ist ein Risiko des Vertrauens, denn manche bevorzugen es, genau zu wissen, welche Gefahren lauern. Martin Hartmann nennt als Beispiel die sogenannten Helikoptereltern, die nur Gefahren zulassen wollen, die sie vorher einschätzen können. Das ist nicht Vertrauen. Diese Beschreibung verdeutlicht, wie falsch es ist, im Vertrauen ein weiches Phänomen zu sehen. Es gibt ein Zitat von Annette Baier: „Es waren die Kriminellen, nicht die Philosophen, die eine Expertise für die verschiedenen Formen des Vertrauens entwickelt haben.

Auch Freunde und Partner können zum Verräter werden

Man denkt hier vielleicht an Betrüger, die das Vertrauen eines Menschen gewinnen und ihn dann ausrauben. Man könnte aber auch an Partner und Freunde denken, die einen irgendwann einmal verraten könnten. Denn sie besitzen die Expertise für diesen Verrat, sie wissen schließlich besonders gut, wie sie einen verletzen können. Annette Baiers Interesse am Vertrauen in der Ehe beruhte auf ihrem Wunsch, eine Art Vertrauenstest zu entwickeln, der helfen kann, die moralische Qualität des Vertrauens in einer Liebesbeziehung zu prüfen.

Ein solcher Test muss schwierig sein, denn die Frage nach der Qualität des Vertrauens in einer Beziehung scheint schon das Ende des Vertrauens zu markierten. Martin Hartmann stellt fest: „Fragt mein Partner, ob er mir noch vertrauen kann, dann könnte allein die Frage eine Krise der Beziehung anzeigen.“ Man muss diesen Punkt aber auch nicht übertreiben. Vertrauen ist empfindlich, aber wenn es um wichtige Werte geht, hält es auch einiges aus. Daher wäre es fast fahrlässig, jede Frage nach dem Vertrauen gleich für ein Ende des Vertrauens zu halten und sich damit der Möglichkeit zu berauben, um die Beziehung zu kämpfen. Quelle: „Vertrauen“ von Martin Hartmann

Von Hans Klumbies

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