Mut und Angst sind nicht unvereinbar
Grundsätzlich ist der Mensch ein sehr soziales, vernunftbegabtes und lösungsorientiertes Wesen. Markus Hengstschläger fordert: „Und gerade in unserer heutigen Zeit braucht es Menschen, die sich einbringen.“ Zudem braucht es mutige Menschen, die neue Wege gehen und durch Kooperation Veränderungen bewirken wollen. Auch wenn Angststörungen und krankhafte Ängstlichkeit in der westlichen Welt extrem zunehmen, so ändert das nichts daran, dass Angst grundsätzlich ein wertvoller und rettender Instinkt ist. Sätze wie „Wir brauchen mehr Mut zu Neuem!“ führen bei so manchen Menschen zu der Annahme, dass ängstliche Menschen grundsätzlich nicht bereit sind, Neuland zu betreten. Dieses Widerspruchsverhältnis zwischen Angst und Mut existiert aber so nicht, und diese beiden Zustände sind nicht unvereinbar. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUniWien.
Wissenschaftlich unterscheidet man Furcht und Angst
Angst und Mut ergänzen einander und führen letztendlich in der richtigen Mischung zu proaktiven, aber auch abwägenden Herangehensweisen an neue Fragestellungen. Markus Hengstschläger erklärt: „Angst ist in unserer heutigen Zeit ein Instrument, nicht verantwortbares, dumm-tollkühnes Handeln zu minimieren, und Mut dient gleichzeitig dazu, unbegründeten Ängsten begegnen zu können.“ Wissenschaftlich unterscheidet man die Furcht vor konkreten Ereignissen oder Bedrohungen von einer diffusen Angst.
Bei einer diffusen Angst handelt es sich zum Beispiel um Lebensangst, die eher ein unbestimmtes Gefühl der Besorgnis und Beklemmung darstellt. Angst kann auch in unklaren Situationen auftreten, beispielsweise, wenn man allein zu Hause ist und ein unbekanntes Geräusch hört. Die Begründung, warum in der Umgangssprache häufig nur das Wort „Angst“ für beide Emotionen verwendet wird, mag unter anderem auch daran liegen, dass man sich vor ganz konkreten Dingen genauso fürchten kann wie vor eher abstrakten und dass es auch verschiedenste Ängste gibt.
Es gibt sogar eine Furcht vor dem Erfolg
Markus Hengstschläger weiß: „Hin und wieder ein Risiko einzugehen, neue Ansätze zu verfolgen und kreativer zu sein, kann von Furcht gebremst werden. Von der Furcht davor, sich zu blamieren, ausgelacht zu werden, Freunde oder Kollegen vor den Kopf zu stoßen, seinen guten Ruf zu schmälern, seinen Job zu verlieren, kurzfristig weniger Gewinne zu machen und vieles mehr.“ Unterfüttert wird dies dann noch von diffuseren Befürchtungen vor der Veränderung, vor dem Scheitern oder vor der Zukunft.
Es gibt sogar so etwas wie eine Furcht vor Erfolg und dem damit oft verbundenen Erzeugen von Aufmerksamkeit. Auch wenn nach der maslowschen Bedürfnispyramide Erfolg und Wertschätzung zu den Individualbedürfnissen gehören, ist es dennoch für so manche Menschen eine Horrorvorstellung, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Klar abzugrenzen ist all das von den pathologischen Formen von Angst wie Angststörungen, Angstzustände oder Panikattacken. Quelle: „Die Lösungsbegabung“ von Markus Hengstschläger
Von Hans Klumbies