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Sigmund Freud prägt den Begriff „Libido“

Menschen sind in jeder Situation von Krankheit, Tod und Gewalt bedroht. Sie kompensieren dies durch ein Lustsystem, dank diesem ihnen das Leben als sinnvoll und nicht nur als Jammertal erscheint. Markus Gabriel stellt fest: „Wir haben also eine „libidinöse Ökonomie“ eingerichtet, wie dies der französische Philosoph Jean-François Lyotard (1924 – 1998) ausgedrückt hat.“ Eine solche Ökonomie geht weit über das menschliche Bewusstsein hinaus. Welche Handlungen und Empfindungen Menschen als lustvoll einstufen, welche als erlaubt oder verboten gelten, hängt immer auch mit der unüberschaubaren Situation als Lebewesen zusammen. Der Ausdruck „Libido“ stammt hierbei von Sigmund Freud und bezeichnet die psychische Energie eines Menschen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Immanuel Kant untersucht die Gefühle der Lust und Unlust

Markus Gabriel weiß: „Übrigens hat dies bei Freud nicht nur eine ausschließlich sexuelle Bedeutung im landläufigen Sinn eines auf Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung gerichteten Verhaltens.“ Vielmehr steht im Hintergrund eine Idee Immanuel Kants, der in seiner „Kritik der Urteilskraft“ das „Gefühl der „Lust und Unlust“ untersucht. In seiner unnachahmlich präzisen Formulierungskunst bestimmt Kant „Lust“ dabei an anderer Stelle als „die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjektiven Bedingungen des Lebens“.

Etwas bereitet Lust, wenn es in den eigenen egozentrischen Index passt. Stört es diesen, bereitet es Unlust. Dabei kann derselbe Gegenstand einem Menschen Lust und einem anderen Unlust bereiten. Hinzu kommt die Begriffskomponente der Vorstellung. Was einem Menschen Lust beziehungsweise Unlust bereitet, hängt davon ab, wie er sich den Gegenstand vorstellt. Eine Vorstellung ist die subjektive Auffassung eines Gegenstandes als etwas, das so und so ist.

Jeder Mensch hat eine andere Perspektive

Markus Gabriel erklärt: „Unsere Individualität wird von unserer unvertretbaren Perspektive ausgemacht. Die Perspektive, die ich gerade einnehme, kann nur von mir eingenommen werden, weil zu ihr all diejenigen Umstände hinzukommen, die dazu führen, dass ich sie gerade einnehme.“ Was sich Menschen wie genau vorstellen, ist von Individuum zu Individuum hochgradig verschieden. Das ist eigentlich schon deswegen offensichtlich, weil jeder Mensch in jedem Augenblick seines bewussten Lebens mit von der Partie ist und auf diese Weise Eindrücke und Erfahrungen sammelt, die prinzipiell kein anderer hat.

Menschen können zwar Erlebnisse und damit Vorstellungen partiell teilen. Letztlich bleiben diese aber immer in dem präzisen Sinne subjektiv, dass sie zu einer individuellen Perspektive gehören. Den Unterschied zwischen sozialer Personalität und nicht sozialer Individualität kann man prinzipiell nicht vollständig unterdrücken. Daraus ergibt sich eine Spannung, die sich gesellschaftlich in vielen Teilbereichen auswirkt. Diese Spannung besteht darin, dass es zur Struktur sozialer Systeme gehört, dass sie Individualität nicht erfassen können. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies

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