Kinder brauchen Zuwendung und Lenkung
In der Pädagogik benennt man zwei Dimensionen, die das elterliche Erziehungsverhalten kennzeichnen: Die Zuwendung und die Strukturierung oder Lenkung. Rüdiger Maas erläutert: „Zuwendung beschreibt die Bereitschaft und die Fähigkeit der Eltern, auf die Signale und Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Lenkung oder Strukturierung meint das Maß, in welchem Eltern klare Anforderungen und Erwartungen an das Kind stellen. Die Art und Weise, wie Eltern Zuwendung und Lenkung kombinieren, bildet deren Erziehungsstil.“ Die amerikanische Psychologin Eleanor Maccoby und der Psychologe Martin haben bereits im Jahr 1993 herausgefunden, dass ein hohes Maß an Zuwendung, kombiniert mit einem hohen Maß an Lenkung am günstigsten für die kindliche Entwicklung ist. Diesen Erziehungsstil nennt man auch autoritativ. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer und Leiter eines Instituts für Generationenforschung.
Der autoritäre Erziehungsstil hat viel Schaden angerichtet
Der autoritäre Erziehungsstil dagegen setzt ein hohes Maß an Lenkung durch strikte Maßnahmen zur Disziplinierung an und legt nicht viel Wert auf die Selbstständigkeit der Kinder. Rüdiger Maas weiß: „Der autoritäre Erziehungsstil hat in der Vergangenheit viel Schaden angerichtet und Nachteile für die Kinder heraufbeschwört.“ Auch ein antiautoritärer Erziehungsstil hat seine Schattenseiten. Denn zwar ist Mitentscheiden nicht unbedingt schlecht, allerdings darf das nicht zu Gunsten von zu wenig Lenkung erfolgen.
Jedoch nehmen Diskussionen auf Augenhöhe stark zu. Rüdiger Maas nennt Beispiele: „So dürfen Kinder zu Hause oft entscheiden, was sie anziehen möchten. Im Winter nur ein T-Shirt, selbst wenn das Kind erkältet ist. In den Kindergarten darf es ebenfalls gehen, wenn das Kind das trotz Krankheit möchte.“ Das liegt vor allem daran, dass die Eltern keine Zeit oder Möglichkeit haben, sich zu Hause um ein krankes Kind zu kümmern oder lange zu diskutieren, was es anzuziehen gilt.
Grenzen sind für die Entwicklung eines Kindes sehr wichtig
Kranke Kinder mit Fieber in der Kita sind für Erzieherinnen schon lägst Alltag geworden. Dem Kind wird ein Fieberzäpfchen gegeben, und dann ab in die Aufbewahrung, sonst muss man wieder einen Arbeitstag opfern. Und das, obwohl die Kinder heutzutage stark im Fokus stehen. Rüdiger Maas erklärt: „Das hat viele Gründe: Im Schnitt werden weniger Kinder pro Familie geboren, wodurch sich die Aufmerksamkeit in vielen Familien auf ein Kind begrenzt. Der gesellschaftliche Wohlstand ist angestiegen, wodurch man sich mehr leisten kann.“
Wo manche Eltern früher vielleicht aus finanziellen Gründen Nein zu ihren Kindern sagen mussten, kann heute öfter Ja gesagt werden. Rüdiger Maas betont: „Grenzen sind aber für die Entwicklung des Kindes sehr wichtig. Einmal aus gesellschaftlicher Perspektive: In der Gesellschaft herrschen bestimmte Regeln, wie wohl oder übel berücksichtigt werden müssen.“ Das fängt bereits in der Kita an, setzt sich fort in der Schule und begegnet einem Menschen später auch bei seinem Arbeitgeber. Quelle: „Generation lebensunfähig“ von Rüdiger Maas
Von Hans Klumbies