Allgemein 

Kinder brauchen liebevolle Resonanz

Joachim Bauer betont: „Liebevolle Spiegelung und Resonanz in den ersten Lebensmonaten. Inspirierende Angebote und Vorbilder in den Kinderjahren. Schließlich die in den Jahren der Adoleszenz an Heranwachsende adressierte Ermutigung, sich etwas abzufordern und sich anzustrengen, sind das Gelée royale für den sich entwickelnden jungen Menschen.“ Die elterliche Fürsorge kümmert sich nicht um die Entstehung eines kindliches Selbst per se. Eltern und andere Bezugspersonen geben diesem Selbst über den Weg des vertikalen Selbst-Transfers auch einen Inhalt. Sie adressieren das Kind mit unzähligen Signalen, insbesondere solchen des Willkommenseins, der Distanz oder der Ablehnung. Diese Signale sagen dem Kind, wer es ist. Darüber hinaus geben Bezugspersonen ihre impliziten Grund- und Wertehaltungen an das Kind weiter. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

Liebevolle Zuwendung aktiviert ein Anti-Stress-Gen

Früh internalisierte Botschaften führen im Kind, je nach Inhalt, zur Aktivierung oder Inaktivierung der genetischen Klaviatur. Joachim Bauer weiß: „Ein Beispiel von vielen: Kinder, die in den ersten Lebensmonaten in eine von ihnen als sicher und liebevoll erlebte Umgebung hineinwachsen, aktivieren ein für das gesamte spätere Leben bedeutsames Anti-Stress-Gen, welches das spätere Risiko vermindert, eine Depression zu erleiden.“ Die an den einzelnen Säugling, das Kleinkind oder den Jugendlichen adressierten Resonanzen sind das Gelée royale des Menschen.

Kinder, die bereits in den ersten Lebensmonaten kein hinreichendes Maß an dyadischer Ansprache erhalten, sondern emotional unterversorgt oder gar gänzlich vernachlässigt werden, entwickeln kein stabiles – insbesondere kein empathisches – Selbst. Joachim Bauer fügt hinzu: „Manche dieser Kinder entwickeln sich später zu Einzelgängern, andere neigen zu schwachem Selbstbewusstsein oder zu Depressionen, wiederum andere entwickeln Abhängigkeits- und Suchttendenzen.“ Allen gemeinsam ist, dass sie keine tiefen emotionalen Bindungen zu anderen Menschen eingehen können und sich innerlich einsam fühlen.

Das Internet ist für Kinder in großen Teilen verheerend

Die Welt bleibt ihnen auf eine für sie nicht erklärbare Weise fremd. Joachim Bauer kritisiert: „Die Erwartung, Kinder entwickelten von alleine eine Persönlichkeit, wenn ihre körperliche Grundversorgung und eine hinreichende Aufsicht gesichert sind, entspringt einer immer noch verbreiteten, aber gefährlichen und neurowissenschaftlichen Erkenntnissen diametral widersprechenden Ideologie.“ Denn Kinder und Jugendliche bedürfen einer weit über das Säuglingsalter hinausrechenden, sich bis zur Volljährigkeit erstreckenden Investition an Unterstützung und Förderung.

Kinder müssen die Gelegenheit erhalten, interessante kognitive, sportliche und musikalische Angebote und Anregungen zu prüfen, um deren Nutzung gegebenenfalls zu einem Teil ihres Selbst werden zu lassen. Joachim Bauer erläutert: „Zugleich sollten sie lernen, nicht alles kritiklos in sich aufzunehmen, was ihnen angeboten wird. Was Kindern und Jugendlichen heute im Internet begegnet, ist in großen Teilen verheerend.“ Die Resonanzerfahrungen, die junge Menschen im Internet machen, öffnen keine Möglichkeitsräume für die individuelle Weiterentwicklung. Quelle: „Wie wir werden, wer wir sind“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies

Related posts

Leave a Comment