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Schuldgefühle sind oftmals irrational

Eine Komplikation erschwert den Umgang mit irrationalen Schuldgefühlen. Es sind die sogenannten Gefühlsvermischungen. Helga Kernstock-Redl erläutert: „Schuldgefühle treten häufig zeitgleich mit Angst vor Strafe und sozialer Ausgrenzung auf, sie vermischen sich außerdem mit Scham, Mitgefühl, Zorn oder Trauer.“ Manchmal überdeckt das eine das andere oder drängt es weg. Alles gemeinsam bildet ein belastendes, verwirrendes Durcheinander. Wenn man auf „Gefühlsknäuel“ trifft, ist es am besten, sie zu entwirren und die einzelnen Fäden voneinander zu trennen. Dabei kann es sehr klärend sein, die einzelnen Bestandteile in Worte zu fassen. Denn jeder einzelne hat gute Gründe und verlangt eigene Lösungen. Angst ist die Reaktion auf reale oder irrationale Gefahr und braucht vielleicht Sicherheitsmaßnahmen oder Strategien der Selbstberuhigung. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.

Ein Gefühlsgeflecht lässt sich nur Faden für Faden auflösen

Scham kann man zum Beispiel als betroffene Person selbst ansprechen, um nicht im Boden zu versinken. Trauer darf in Wellen weiterlaufen, denn nur so heilen Verluste und Verletzungen. Die Wege heraus mögen konträr sein. Ein Geflecht kann man jedoch meist nicht als Ganzes auflösen, sondern nur Faden für Faden. Beim Aufdecken der wahren Ursachen von Schuldgefühlen findet man häufig zugleich den dazu passenden Lösungsweg. Man kann beispielsweise das ursächliche, jedoch als falsch erkannte, moralische Gesetz verändern.

Oder man lernt bewusst Empathie zu steuern und eine Situation voller Ausweglosigkeit ohne echte Wahl traurig anzuerkennen. Helga Kernstock-Redl fügt hinzu: „Unvernünftige Gefühle brauchen vielleicht sogar unvernünftige Wege oder Lösungen durch die Kraft der Fantasie – und hie und da eine Traumaverarbeitung.“ Im Wissen, dass es Strategien heraus aus dem Schuldgefühl gibt, verlieren viele Betroffene die Angst davor, es zu sehen und seine Existenz anzuerkennen, davor, hinein- und hindurchzugehen.

Manche Menschen fühlen sich niemals schuldig

Gäbe es keinen Ausweg, wäre es tatsächlich logisch, ja sogar selbstfürsorglich, eine solche Reise zu vermeiden. Helga-Kernstock-Redl rät: „Sollten Sie selbst jemanden „beschuldigen“ müssen oder wollen, zeigen Sie im selben Atemzug eine Tür hinaus.“ Natürlich gibt es Mitmenschen, die sich grundsätzlich niemals schuldig fühlen. Manche betonen sogar ständig ihre Unschuld. Andere wieder verleugnen berechtigte Opfergefühle oder beschäftigen sich im Gegenteil intensiv damit.

Die Unschuld oder Schuldlosigkeit ist eine begehrte, manchmal heiß umkämpfte Position. Denn sie schützt „nach innen“ vor Schuldgefühlen und „nach außen“ vor Rache, Rückforderungen oder Strafen. Möglicherweise wurde jemand geschädigt oder hat Unrecht erlitten. Er oder sie wird zum Opfer. Daran kann eine andere Person schuld sein. Es gibt zum Beispiel Schuld durch Rechtsbruch, aber ohne Schaden. In vergleichbare Weise gibt es Opfer ohne Schuldige. Helga Kernstock-Redl zählt dazu Erkrankungen, Naturkatastrophen oder Unfälle, die dennoch gravierendes Leid verursachen. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl

Von Hans Klumbies

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