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Eine Lebenskrise hört nie wirklich auf

Wer heute noch von einer Midlife-Crisis redet, der zeigt laut Andreas Salcher, dass er wirklich alt ist. Der Begriff ist de facto ausgestorben, das Phänomen der Lebenskrise dagegen nicht. Die Lebenskrise beginnt heutzutage nur meist schon Mitte 20 und hört nie mehr wirklich auf. Andreas Salcher erläutert: „Die nächste Krise bricht oft in einer Phase auf, in der wir endlich zu wissen glauben, wie das Leben funktioniert.“ Dieser Prozess des ständigen Wechsels zwischen Stabilität und Entwicklung der Persönlichkeit ist zwar durchaus lehrreich, aber auch ziemlich anstrengend. Was versteht man überhaupt unter Persönlichkeit? Unter den unzähligen gilt das „Big-Five-Modell“ heute international als das universelle Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Menschen verändern sich alle zehn Jahre ein bisschen

Die „Big Five“ definieren fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. William James, ein Mitbegründer der modernen Psychologie als Wissenschaft, schrieb 1890: „Der Charakter des Menschen ist spätestens mit 30 so erstarrt wie Gips, und er wird nie wieder weich werden.“ Mit ihrer selektiven Wahrnehmung bestätigen viele Menschen diese veraltete These gerne, vor allem, wenn es andere betrifft.

Allerdings sind die fünf Merkmale nicht so stabil, wie ursprünglich angenommen. Im Durchschnitt verändern sich Menschen zwar nicht in großen Sprüngen, sondern alle zehn Jahre ein bisschen. Dennoch sind diese Entwicklungen keineswegs zu vernachlässigen. Im Laufe ihres Lebens ruhen viele Menschen mehr in sich selbst und geben weniger auf die Meinung anderer. Andreas Salcher fügt hinzu: „Tendenziell ziehen wir uns aber auch mehr zurück, sind weniger offen für Neues und werden etwas nachlässiger und unorganisierter.“

Die Menschen können sich sehr wohl verändern

Ein einziges Merkmal verändert sich hingegen in keiner der Studien über die Persönlichkeit merklich: die Verträglichkeit. Zwar gibt es Menschen, die ein klein wenig verträglicher werden, also etwas mehr Rücksicht auf andere nehmen und empathischer werden. Andere entwickeln sich etwas ins Gegenteil – keiner aber verändert sich hier laut den Daten signifikant. Jedoch verfügen die Menschen über sehr viel mehr Spielräume in ihrem Verhalten, als sie glauben oder sich einreden lassen.

Andreas Salcher stellt fest: „Wir haben uns meist zu sehr in unseren Gewohnheiten eingerichtet, halten sie für unser Wesen und sind der festen Überzeugung: So bin ich eben, ihr müsst mich so nehmen, wie ich bin.“ Diese Ansicht ist zwar bequem, aber falsch, die Menschen können sich sehr wohl anders verhalten. Man erlebt doch immer wieder, wie einen Menschen überraschen. Der Schüchterne begehrt auf einmal gegen Ungerechtigkeit auf, der eiskalte Egoist zeigt plötzlich Mitgefühl. Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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