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Das Bewusstsein braucht das Nervensystem

Jede Theorie, die das Vorhandensein von Geist und Bewusstsein erklären will, dabei aber das Nervensystem umgeht, ist zum Scheitern verurteilt. Antonio Damasio erklärt: „Das Nervensystem leistet den entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung von Geist, Bewusstsein und den von beidem ermöglichten kreativen Überlegungen.“ Aber jede Theorie, die sich ausschließlich auf das Nervensystem beruft, um Geist und Bewusstsein zu erklären, muss ebenfalls scheitern. Das gilt heute leider für die meisten Theorien. Die hoffnungslosen Versuche, Bewusstsein ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Nerventätigkeit zu erklären, sind zum Teil eine Ursache für die Vorstellung, das Bewusstsein sei ein unerklärliches Geheimnis. Zwar stimmt es, dass Bewusstsein, wie die Wissenschaft es kennt, in vollem Umfang nur in Lebewesen entsteht, die mit einem Nervensystem ausgestattet sind. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

Gefühle können sich nur dank eines Nervensystems entwickeln

Etwas anderes stimmt aber auch: Bewusstsein erfordert eine Fülle von Wechselwirkungen zwischen dem zentralen Teil dieses Systems – dem eigentlichen Gehirn – und verschiedenen nicht zum Nervensystem gehörenden Teilen des Körpers. Der Körper bringt in die Ehe mit dem Nervensystem seine grundlegende biologische Intelligenz ein. Nämlich jene nichtexplizite Fähigkeit, die über das Leben bestimmt, indem sie die Erfordernisse der Homöostase erfüllt und ihren Ausdruck letztlich in der Form von Gefühlen findet.

Antonio Damasio betont: „Die Tatsache, dass Gefühl sich nur dank eines Nervensystems vollständig verwirklichen kann, ändert nichts an dieser grundlegenden Tatsache.“ Das Nervensystem steuert zu der Ehe mit dem Körper die Möglichkeit bei, Kenntnisse explizit zu machen. Dazu konstruiert es die räumlichen Muster, die Bilder darstellen. Nervensysteme tragen auch dazu bei, dem Gedächtnis die Kenntnisse zu vermitteln, die in Bildern repräsentiert sind. Damit öffnet es den Weg für die Form der Bildmanipulation, die Reflexion, Planung, vernünftiges Überlegen und letztlich die Erzeugung von Symbolen sowie die Schaffung neuer Reaktionen, Artefakte und Ideen möglich macht.

Nervensysteme waren nichts Primäres

Die Ehe von Körper und Gehirn legt sogar einige geheime Kenntnisse der Biologie offen, oder mit anderen Worten: die Reime und Rhythmen intelligenten Lebens. Nervensysteme erschienen in der Geschichte des Lebendigen erst spät auf der Bildfläche. Sie waren nichts Primäres, sondern tauchten auf, um dem Leben zu dienen, um Leben auch dann noch möglich zu machen, als die Komplexität der Lebewesen ein hohes Maß an Funktionskoordination erforderte. Und ja, Nervensysteme trugen dazu bei, bemerkenswerte Phänomene und Funktionen zu erzeugen, die es vor ihrer Entstehung nicht gab.

Antonio Damasio nennt Erscheinungen wie Gefühle, Geist, Bewusstsein, explizites Überlegen, eine verbale Sprache und Mathematik. Die neuronalen Neuerungen bewirkten zudem, dass die Regulation der Homöostase optimiert wurde und das Leben mit größerer Sicherheit aufrechterhalten werden konnte. Genau das erreichen die Nervensysteme, indem sie das hohe Maß an Funktionskoordination bereitstellen, das komplexe, vielzellige Organismen mit vielen Organen brauchen. Komplexe, vielzellige Lebewesen mit differenzierten Systemen – Hormon-, Atmungs-, Verdauungs-, Immun- und Fortpflanzungssystem – wurden durch die Nervensysteme gerettet. Quelle: „Wie wir denken, wie wir fühlen“ von Antonio Damasio

Von Hans Klumbies

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