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Viele Menschen haben ein Naturdefizit

Mit der Landschaft hat sich auch das Verhalten der Menschen verändert. Kurz gesagt: Die meisten bleiben drinnen. Sie sitzen in Großraumbüros, Autos und Hochhäusern und verbringen gerade einmal 1 bis 5 Prozent im Freien. Sie haben sich daran gewöhnt, jenseits der Zyklen der Natur zu überleben. Lucy F. Jones ergänzt: „Unser Bedürfnis und unser Wunsch danach, mit der Natur in Kontakt zu kommen – ebenso wie die Möglichkeit dazu –, haben dramatisch abgenommen.“ Im Jahr 2005 prägte der einflussreiche amerikanische Autor Richard Louv den Begriff der „Naturdefizit-Störung“. Er benennt damit die negativen Auswirkungen mangelnder Berührungspunkte mit der Natur auf die allgemeine Gesundheit der Menschen. Lucy F. Jones ist Journalistin. Sie schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

Psychoterrastische Krankheiten nehmen zu

Richard Louv schrieb: „Er beschreibt den Preis, den der Mensch angesichts seiner mangelnden Verbindung zur Natur zahlt: eine Unterentwicklung der Sinne, Konzentrationsschwierigkeiten und die Zunahme von körperlichen und geistigen Krankheitsbildern.“ Dieses Gefühl der Abspaltung bahnt sich seither seinen Wet im alltäglichen Sprachgebrauch. Im selben Jahrzehnt fand der australische Philosoph Glenn Albrecht den Begriff „psychoterrastisch“, um damit sowohl irdische als auch den Geist betreffende Emotionen, Gefühle und Zustände zu beschreiben.

Glenn Albrecht war frustriert davon, wie wenig Konzepte in der englischen Sprache zur Verfügung standen, um die Beziehung zwischen Menschen, der von ihnen erschaffenen Umwelt, der natürlichen Umwelt und ihrer psychischen Verfassung zu beschreiben. Psychoterrastische Krankheiten sind beispielsweise auf die Erde bezogene, psychische Gesundheitsleiden wie Ökosystem-Angst oder Globale Furcht. Mit „Trostalgie“ bezeichnet er ein Gefühl der Nostalgie und Ohnmacht angesichts der Zerstörung eines Ortes, der früher einmal Trost gespendet hat.

Die Beziehung zum Rest der Schöpfung ist zerbrochen

Ein weiterer neuer Begriff, die „Arteneinsamkeit“, soll ein Gefühl kollektiver Trauer und Angst angesichts der Abkapselung vieler Menschen von anderen Spezies ausdrücken. Die Naturautorin Robin Wall Kimmerer beschreibt sie als „eine tiefe, namenlose Traurigkeit, die von unserer Entfremdung vom Rest der Schöpfung herrührt, von einer zerbrochenen Beziehung.“ Wenn man bedenkt, wie die Menschheit ihre Moore und Wälder behandelt, die Meere und Flüsse, ebenso die Wildtiere, die dort leben, könnte man meinen, die industrialisierte Gesellschaft sähe in der Natur nicht viel mehr als einen hübschen Hintergrund.

Der britische Ex-Premierminister nannte die Umweltpolitik Berichten zufolge „Grünen Mist“. Er verhöhnte damit das grundlegende System, das die gesamte Menschheit am Leben erhält. Lucy F. Jones stellt fest: „Zweifelsohne wurden meine Tochter und ihre Generation in eine Zeit extremer Entfremdung hineingeboren, in der wir das Klima rasend schnell zerstören und uns psychologisch vom Rest der lebenden Welt zurückziehen. Dabei sind auch sie mit der Natur durch Geschichten und Sprache verbunden, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.“ Quelle: „Die Wurzeln des Glücks“ von Lucy F. Jones

Von Hans Klumbies

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