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Lernen ist sowohl aktiv als auch assoziativ

Im Prinzip zeigt die Hirnforschung, dass ein Kind Neues umso schneller lernt, je mehr es schon weiß. Die Neurowissenschaften weisen nach, dass Lernen ein aktiver und assoziativer Vorgang ist. Andreas Salcher weiß: „Folglich lassen sich Informationen eben nicht beliebig in unsere Kopf hineinstopfen, wie manche Eltern und Lehrer glauben.“ Das Gehirn selektiert aus der Flut von Reizen jene heraus, die ihm bedeutsam erscheinen. Und das sind vor allem Fakten, Klänge und Bilder, die mit früheren Erfahrungen zusammenhängen. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben einen Trend zur frühkindlichen Förderung ausgelöst, dessen Angebote leider oft auf der vorschnellen Nutzung von populärwissenschaftlichen Ratgebern basieren. Deshalb stressen sich wohlhabende Eltern überall auf der Welt mit einer großen Herausforderung: ihr Kind im idealen Kindergarten unterzubringen. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Der Kult der Selbstoptimierung beginnt schon beim Kleinkind

Früher startete der Wettbewerb um die besseren Karrierechancen für den eigenen Nachwuchs meistens damit, das richtige Gymnasium oder Internat für den zehnjährigen Sprössling oder die höhere Tochter zu finden. Heute beginnt dieser Wettkampf für manche Kinder bereits mit zwei bis drei Jahren. Mittelmäßige öffentliche Schulen, Arbeitsplatzsorgen und die Angst vor einer noch härteren Konkurrenz in einer globalisierten Welt plagen zunehmen nicht nur die gut begüterte Oberschicht, sondern auch den Mittelstand.

Andreas Salcher stellt fest: „Der Kult der Selbstoptimierung beginnt schon beim Kleinkind.“ An der Liebe ehrgeiziger Eltern gedeiht ein explodierender Markt für Frühförderung. Die Palette reicht von „Benimmkursen“ oder Beschallungen in diversen Sprachen zur rechtzeitigen Herausbildung von Synapsen im Gehirn. Ob man seinen Kindern damit wirklich etwas Gutes tut? Die angesehene Expertin Patricia Kuhl vom Institut für Lernen und Gehirnwissenschaften der Universität Washington in Seattle warnt davor, neurowissenschaftliche Erkenntnisse vorschnell auf die Erziehung zu übertragen.

Das Gehirn speichert negative Lernerfahrungen

Kleinkinder lernen die Nuancen einer Sprache nur im direkten Kontakt mit den Eltern und anderen Bezugspersonen. Hören sie den Text dagegen vom Band oder aus dem Fernsehapparat, ist das völlig sinnlos. Andreas Salcher fügt hinzu: „Ein Kleinkind kann zwar problemlos zwei Fremdsprachen akzentfrei sprechen lernen, allerdings eben nur dann, wenn es tatsächlich zweisprachig aufwächst.“ Viele Eltern haben jedoch nicht die notwendige Geduld, um abzuwarten und wollen ihren Kindern unter allen Umständen einen Startvorteil im Leben verschaffen.

Durch übertriebene Förderung leide die Eltern-Kind-Bindung warnt der Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther. Er sieht „mit Sorge die Instrumentalisierung des Kindes zur Erhöhung des eigenen Selbstwertes“. Der Erwartungsdruck der Eltern führe zur „Angst des Kindes, es den Eltern nicht recht zu machen“. Diese negative Lernerfahrung wird dann im Gehirn gespeichert. Oft spielen auch die Sorge um den eigenen Status und das Prestige einer Schule für die Eltern eine wesentlichere Rolle als die Bedürfnisse des Kindes. Quelle: „Der talentierte Schüler und seine ewigen Feinde“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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