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Rache bringt einen Überlebensvorteil

Evolutionsbiologisch betrachtet, bringt Rache einen Überlebensvorteil. Denn als rachsüchtig bekannte Individuen oder Gruppen werden viel weniger attackiert als solche, die sich alles gefallen lassen und von denen man keine Vergeltung erwartet. Reinhard Haller ergänzt: „Eine Grundüberlegung der Wissenschaft von der Entstehung des Lebens und der Entwicklung der Arten sagt ferner, dass menschliche und auch tierische Gemeinschaften nur funktionieren können, wenn die Mitglieder gut kooperieren und sich an basale soziale Regeln halten.“ Um dies zu gewährleisten, bestraft man Individuen oder Untergruppen bei antisozialen Verhaltensweisen. Das Bedürfnis, abweichendes und schädliches Verhalten zu sanktionieren, entsteht in der menschlichen Entwicklung schon früh und ist auch im Tierreich zu beobachten. Die tiefe Verankerung von Rachebedürfnissen begründen Evolutionsbiologen mit der menschheitsgeschichtlich kurzen Spanne, in der rechtsstaatliche Institutionen diese Aufgabe gleichsam übernommen haben. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Die Befriedigung durch Rache ist im zentralen Nervensystem verankert

Durch Jahrtausende konnten sich die Menschen nicht auf das Gewaltmonopol des Staates, auf Gerichte und Polizei verlassen, sondern mussten sich selbst verteidigen und die Schädiger abschrecken. Allerdings ist es auch evolutionsbiologisch umstritten, ob es einen Racheakt in Art eines natürlichen Aggressionstriebes gibt. Oder ob Rache eher eine soziale Reaktion bei Verletzungen der gesellschaftlichen Ordnung und Abweichungen von der moralischen Norm darstellt, somit mehr einem kulturellen Muster als einem individuellen Instinkt entspricht.

Reinhard Haller weiß: „Wie tief die Befriedigung durch Bestrafen beziehungsweise durch Rache in unserem zentralen Nervensystem verankert ist, kann auch die moderne Hirnforschung beweisen.“ Eine Schweizer Studie wies nach, dass bei Versuchspersonen ein Gefühl des Wohlbefindens ausgelöst wird, wenn sie die Bestrafung eines Menschen, der das eigene Vertrauen missbraucht hat, beobachten können. Die Forscher führten dies auf eine Aktivierung des Belohnungszentrums im Gehirn, des dorsalen Striatums, zurück.

In der Rache lassen sich Wut und Zorn nach außen richten

Nach psychoanalytischer Interpretation resultiert Rache aus frühen Demütigungen und Konflikten und dient der Abwehr von Scham-, Schuld- und Trauergefühlen. Reinhard Haller betont: „In der Rache lassen sich Wut und Zorn nach außen richten, weit weg von eigenem schmerzlichen Gefühlsempfindungen. Weiters haben Rachegefühle laut tiefenpsychologischer Auslegung einiges mit Lustgewinn zu tun.“ Der Arzt und Psychoanalytiker Heinz Kohut (1913 – 1981) interpretierte Rache als einen Ausdruck narzisstischer Wut.

Diese bringe einen gewissen Lustgewinn und werde unter Umständen sogar zum eigentlichen Sinn des Lebens. Dabei verleugne der nach Rache sinnende entweder die Gefahr, sich selbst zu zerstören. Oder er nehme, wie dies im modernen Terror der Fall ist, die Selbstzerstörung um einer größeren Aufgabe willen ganz bewusst in Kauf. Die rächende Person finde im Racheakt eine Ersatzbefriedigung. Die Aussicht auf den großen Triumph löse Spannung, Begeisterung und Leidenschaftlichkeit aus. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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