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Die Sexualität ist heute Teil der Ökonomie

Wie kommt es, dass die sexuelle Herrschaft von Männern über Frauen trotz bescheidener, aber bedeutsamer Gleichheitsgewinne tief verwurzelt und weit verbreitet geblieben ist? Eva Illouz erklärt: „Die sexuelle Herrschaft manifestiert sich natürlich in Form von männlicher Gewalt. Sie zeigt sich aber auch in diffuseren, schwer fassbaren und vageren Prozessen der Abwertung von Frauen.“ Die Sexualität befördert heute wie am Fließband neue Konsumgepflogenheiten und technologische Praktiken. „Sexuelle Praktiken und Interaktionen sind Teil der Ökonomie geworden“, wie Adam Green zu Recht feststellt. Das sexuelle Objekt, von Sigmund Freud als ein Bündel unbewusster Triebe gefasst, verwandelte später diese Triebe in die Wahrheit der Begierden. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Außerdem ist sie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Das sexuelle Begehren erzeugt ökonomischen Wert

Eva Illouz stellt fest: „Im Zuge seiner Vereinnahmung durch den Konsumentenmarkt und die Technologie entwickelte sich der sexuelle Körper zu einem so beeindruckenden wie unzureichend begriffenen Produzenten ökonomischen Mehrwerts.“ Das ökonomisch-sexuelle Subjekt ist das eigentliche Subjekt der Moderne. Es realisiert seine Individualität dadurch, dass es wünscht und begehrt, dass es ständige eine Wahl und immer öfter auch eine Nichtwahl trifft.

Und all dies trägt sich in einer intimitätsgesättigten Konsumsphäre und einer kommodifizierten Privatsphäre zu. Es ist praktisch unmöglich, Sexualität und Liebe von den Arenen des Konsums und der Technologie zu trennen, in denen sie sich entfalten. Das sexuelle Begehren erzeugt ökonomischen Wert, während zugleich Waren mit der Erzeugung sexuellen Begehrens verwoben sind. In ihrer Kombination bringen sexuelle und ökonomische Formeln des Handelns ein Hypersubjekt hervor, wie Eva Illouz es nennen möchte. Nämlich ein Subjekt, das ebenso durch das Haben von Bedürfnissen und Begierden wie durch die Praktiken zu deren Befriedigung definiert ist.

Die ontologische Ungewissheit wird von drei Prozessen geprägt

Die Hypersubjektivität gründet allerdings auf einem Paradox. Sie löst eine ontologische Ungewissheit aus, das heißt eine Ungewissheit über die schiere Natur des Selbst. Die ontologische Ungewissheit wird von drei Prozessen geprägt. Nämlich der Aufwertung, der Bewertung und der Abwertung, die alle drei von der immer noch mächtigen ökonomischen und symbolischen Herrschaft von Männern über Frauen bestimmt werden. Diese drei Prozesse sind gleichermaßen ökonomischer, kognitiver und kultureller Natur.

Sie markieren ein neues Stadium in der Geschichte des Kapitalismus und der Intimbeziehungen. Eva Illouz erläutert: „Aufwertung bezeichnet den Prozess, Wert durch ökonomische oder symbolische Mechanismen zu erzeugen. So wie die Ausstellung der Werke einer Künstlerin in einem bedeutenden Museum deren ökonomischen Wert steigert.“ Eine Bewertung vorzunehmen ist die Aktivität, den Wert eines Gegenstandes abzuschätzen, zu vergleichen und zu messen. Quelle: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz

Von Hans Klumbies

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