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Im Gehirn gibt es Areale für Hassgefühle

Reinhard Haller möchte wissen welche Erkenntnisse die Neurowissenschaften zu den Grundlagen des Hasses erbringen können. Möglicherweise ist das menschliche Gehirn jedoch niemals in der Lage, sich selbst ganz zu begreifen. Obwohl das Gehirn 100 Milliarden Nervenzellen, 5,8 Kilometer an Nervenbahnen und seiner über die Trillionengrenze hinausreichende Zahl an Schaltstellen besitzt. Weil die Hirnforschung aber heute nachweisen kann, welche Teile des Gehirns unter welchen Bedingungen aktiviert werden, müsste es möglich sein, dort Repräsentationen für den Hass zu finden. In der Tat gibt es einige interessante Ergebnisse: So konnte aufgezeigt werden, welche Hirnareale des zentralen Nervensystems bei Hassgefühlen aktiv sind. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Es gibt eine Art „Schaltplan des Hasses“

Es sind dies das zu den Kerngebieten des Großhirns gehörende Putamen, das die Vorbereitung von Bewegungen steuert, und die auf negative Reize reagierende Inselrinde, auch Insellappen genannt. Reinhard Haller erläutert: „Beide Hirnregionen sind Teil der grauen Substanz des Gehirns, also der für alle höheren Leistungen zuständigen „grauen Zellen“. Die Aktivitäten des Putamen könnten bei Gefahr eine Flucht oder einen Angriff auslösen.“ Dies besagt, dass ein hassender Mensch ebenso wie das den Hass wahrnehmende Opfer immer fluchtbereit ist, also unter chronischem Stress steht.

Wenn der versteckt liegende Insellappen bei ausgesendeten oder empfangenen Hassgefühlen starke Aktivitäten anzeigt, beweist dies, dass die zentrale Bewertung von Hass ebenso wie die Bewertung von Schmerzen oder Ekel mit negativem Stress verbunden ist. Zwei Forscher der University College London, Semir Zeki und John Romaya, haben eine Art „Schaltplan des Hasses“ entdeckt. Sie zeigten 17 männlichen und weiblichen Versuchspersonen Fotos von gehassten und von gern gesehenen Bekannten.

Hassende wollen viel stärker als Liebende die Kontrolle behalten

Reinhard Haller stellt fest: „Bei Messung der Gehirnaktivitäten der beiden genannten Areale – Putamen und Inselrinde – zeigte sich, dass diese zwar bei Hass anspringen, nicht jedoch bei hassverwandten Gefühlen wie Wut oder Angst. Erstaunlicherweise reagieren sie aber auch auf Liebe und Romantik.“ Die Entdeckung dieses Schaltplans beweist nicht nur die hirnbiologische Verankerung der Hassliebe. Die nachgewiesene Nähe von Liebe und Hass im Gehirn gibt Hoffnung für die Therapie von Paaren, die wenigstens noch durch Hassliebe verbunden sind.

Ein weiterer interessanter Befund aus der Hirnforschung zeigt sich bei Untersuchungen des Frontallappens. In diesem für Selbststeuerung und Impulskontrolle maßgebenden Hirnteil werden die für logisches Denken verantwortlichen Areale durch negative Gefühle weit stärker angesprochen als durch positive. Daraus folgert Reinhard Haller: „Dass Hassende viel stärker als Liebende die Kontrolle behalten wollen. Dies könnte mit dem verlangen, die Rache besser planen zu können, zu tun haben. Es beweist aber auch die gefährliche Bedeutung des planenden Denkens beim Hass.“ Quelle: „Die dunkle Leidenschaft“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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