Narzissten sehnen sich nach Bewunderung
Narzissten zieht es auf die Bühnen des Lebens. Sie träumen von sozialem Status: Bekanntheit, Einfluss und Bewunderung. Mitja Back ergänzt: „Hierzu müssen sie andere Menschen erreichen. Menschen, die über das Ich reden, ihm folgen und es bewundern. Sie brauchen Spielfelder, auf denen sie ihr Ich ausleben können und auf denen sie von anderen gesehen werden.“ Sozialer Status ist allerdings eine begrenzte Ressource. Es können nicht alle gleichermaßen bekannt sein, weil man in seinem Alltag nicht unbegrenzt Zeit hat, Menschen kennenzulernen. Es können in den seltensten Fällen alle gleichzeitig das Sagen haben, weil man nicht in alle möglichen Richtungen gleichzeitig geleitet werden kann. Und es können nicht alle gleichzeitig bewundert werden, weil so der Glanz der Besonderheit wegfiele. Mitja Back ist seit 2012 Professor für Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Münster.
Das Ich kann sich auf mehreren Spielfeldern des Lebens austoben
Von William Shakespeare stammt der berühmte Satz: „Die ganze Welt ist eine Bühne.“ Tatsächlich sind es verschiedene Bühnen, auf denen das Ich stehen kann. Mehrere Spielfelder des Lebens, auf denen es sich austoben kann. Mitja Back erklärt: „Welche und wie viele Spielfelder ein Narzisst versucht, zu bespielen, hängt von vielen weiteren Eigenschaften des Ich ab. Von Interessen zum Beispiel, aber auch von körperlichen Eigenschaften, finanziellen Möglichkeiten und den geistigen und sozialen Fähigkeiten.“
Das ursprüngliche Spielfeld des Ich ist ein schmutziger Bolzplatz. Man gewinnt keinen Schönheitspreis, sondern muss in der Lage sein, Staub zu fressen. Mitja Back fügt hinzu: „Was Menschen im rohen Spiel um Überlegenheit einsetzen, ist allein das, was sie mit Körper und Geist an Durchsetzungskraft aufbieten können.“ In der Menschheitsgeschichte war die körperliche Auseinandersetzung lange Zeit die üblichste Methode, um festzustellen, wer der Boss ist.
Narzissten möchten sozialen Status gewinnen
Auch heute noch findet man Annäherungen an das rohe Spiel um Überlegenheit. Der Boxsport und härtere Kampfsportarten wie Mixed Martial Arts sind Überbleibsel dieses Urkampfs. Sie erreichen ein Millionenpublikum. Mitja Back stellt fest: „Vor allem unter jungen Männern lassen sich sozial verträglichere Trainingsversionen dieses Kampfs um Überlegenheit beobachten. Humorvoll ausgetragene körperliche Wettkämpfe – ganz so, wie es tollende kleine Löwen machen, die das Kämpfen spielen.“
Körperliche Größe und Stärke sind Mittel, die Narzissten – wenn sie denn groß und stark sind – einsetzen können, um sozialen Status zu gewinnen. Mitja Back weiß: „Mit der körperlichen Größe und Kraft allein kommt das Ich aber dann doch nicht allzu weit. Schon beim Ideal der alten Griechen ging es um das Training von Körper und Geist.“ Es galt den Ringkampf, aber auch Wortgefechte zu trainieren. Es geht auch um verbale Überlegenheit: Wer schafft es, durch Art und Inhalt der eigenen Argumente die Deutungshoheit zu erlangen? Quelle: „Ich!“ Die Kraft des Narzissmus“ von Mitja Back
Von Hans Klumbies