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Manfred Spitzer vergleicht die Einsamkeit mit der sozialen Isolation

Einsamkeit ist nicht das Gleiche wie soziale Isolation, sondern deren psychologischer Aspekt. Manfred Spitzer erläutert: „Mit Einsamkeit wird ein subjektives Erleben bezeichnet – man fühlt sich einsam –, wohingegen soziale Isolation objektiv gemessen werden kann.“ Wer allein lebt, wenige Sozialkontakte hat oder nur ein kleines Netzwerk von sozialen Beziehungen aufrechterhält, weist eine größere soziale Isolation auf als jemand, der viele Freunde und Bekannte hat und mit anderen zusammenlebt. Ob dieser Mensch sich deswegen einsam fühlt, ist dennoch offen. Ein an Depression erkrankter Mensch kann in einer intakten Familie leben, sehr viele Freunde und Bekannte haben und sich dennoch einsam fühlen. Manchmal suchen Menschen die Einsamkeit sogar gezielt auf und fühlen sich dabei sehr wohl. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

Frauen sind sozial kompetenter als Männer

Erlebte Einsamkeit und tatsächliche Isolation sind nicht dasselbe. Sie hängen nicht einmal so stark zusammen, wie man zunächst annehmen könnte. Unterschiedliche Netzwerke – beste Freunde, gute Freunde und Bekannte – bedingen einander in ihrer Größe: Wer viele beste Freunde hat, hat auch eher viele gute Freunde und viele Bekannte. Weil Frauen bekanntermaßen sozial kompetenter als Männer sind, haben sie im Durchschnitt auch etwas größere soziale Netzwerke als Männer. Man weiß auch, dass in diesen Netzwerken mehr gleichgeschlechtliche Menschen vorkommen.

Zudem unterscheiden sich Menschen stark hinsichtlich der Größe ihrer sozialen Netzwerke. Die meisten Menschen sind auch erstaunt darüber, dass diese Unterschiede teilweise sogar erblich bedingt sind. Manfred Spitzer erklärt: „Manche Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Schüchternheit oder Neugierde haben kaum eine Auswirkung auf die Größe der sozialen Netzwerke einer Person. Andere hingegen schon: Besonders das Einfühlungsvermögen einer Person und ihre Selbstbezogenheit (Narzissmus) haben einen großen Einfluss auf ihre sozialen Netzwerke.“

Wichtiger als die Quantität der sozialen Bindungen ist deren Qualität

Zudem gilt, was gerne vergessen wird: Wer ein besseres Gedächtnis hat, hat mehr gute Freunde. Zugleich gilt auch: Wer mehr Einfühlungsvermögen hat, hat mehr beste Freunde! Das verwundert Manfred Spitzer nicht: „Man hat mehr gute Freunde als beste Freunde, die Zahl der guten Freunde hängt somit eher davon ab, wie gut man sich etwas merken kann. Die Zahl der besten Freunde ist ohnehin klein, sodass das Gedächtnis keine Rolle spielt.“ Menschen mit ausgeprägten Mitgefühl für andere Menschen haben mehr beste Freunde als Menschen, die gefühlskalt beziehungsweise egoistisch wirken.

Das ist wichtig, denn die Zahl der besten Freunde bestimmt ganz wesentlich, wie einsam sich jemand fühlt. Gemeinschaftsorientierte Menschen haben dabei im Allgemeinen nicht nur mehr besten Freunde, sondern auch mehr gute Freunde sowie mehr Bekannte. Wichtiger als die Quantität der sozialen Bindungen ist deren Qualität. Manfred Spitzer betont: „Ein Freund, der mit einem durch dick und dünn geht, ist wichtiger als 500 virtuelle Bekannte in einem Online-Netzwerk. Das leuchtet unmittelbar ein.“ Quelle: „Einsamkeit“ von Manfred Spitzer

Von Hans Klumbies

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