Allgemein 

Ein Therapeut sollte an die Freiheit erinnern

Ein Süchtiger steht zwischen der drängenden Sucht auf der einen und seiner Freiheit auf der anderen. Manfred Lütz weiß: „An die Chancen der Freiheit zu erinnern, ist Aufgabe jeder guten Therapie. Dabei mag niemand von außen entscheiden, wie viel Sucht und wie viel Freiheit im Einzelnen vorliegt.“ Und vor allem: Kein Mensch kann sicher sein, ob er selbst bei vergleichbarem Suchtdruck nicht auch gegen seinen Willen getrunken hätte. Das macht Therapeuten bescheiden. So kommt die Freiheit vor allem bei der Therapie mit ins Spiel. Unter dem Aspekt der Freiheit kann man sich durchaus fragen, was der Sinn einer psychischen Störung sein könnte. Jedenfalls ist die Perspektive der Freiheit für jede psychische Situation immer möglich. Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut, Kabarettist und Theologe.

Das Leben eines Menschen ist ein Kunstwerk

Auch ist die Freiheit natürlich stets mehr oder weniger angemessen. Man kann das ganze Leben eines Menschen als Kunstwerk seiner selbst betrachten. Und das gilt nicht nur für große Künstler, sondern im Grunde für jeden Menschen. Jeder ist seines Glückes Schmied, sagt der Volksmund. Und diesmal hat er jedenfalls nicht ganz recht. Was frei entschieden wird, ist jedenfalls nie krank. Es ist gut oder böse, es ist sogar unglaublich gut und bestialisch böse.

Manfred Lütz stellt fest: „Und doch, es gibt keine Psychomethode, mit der man Gutes oder Böses vermehren oder vermindern kann, denn Gutes oder Böses zu tun, ist niemals krank. Psychische Krankheiten dagegen sind immer Einschränkungen der Freiheit eines Menschen, gut oder böse zu handeln.“ Durch die Symptome der Krankheit wird ein Patient mehr oder weniger daran gehindert, zu sagen und zu tun, was er selbst existenziell eigentlich sagen und tun will.

In der humanen Psychiatrie sind Räume der Freiheit wichtig

Die Perspektive der Freiheit ist die wichtigste von allen Perspektiven auf das Leben. In ihr trifft man sozusagen den Menschen selbst an und nicht bloß seine Krankheit. Immer ist hinter all den sich in den Vordergrund drängenden psychischen Störungen der einzelne Mensch als freies Wesen da, auch wenn man das mitunter bei sehr ausgeprägten psychischen Erkrankungen nur ahnen kann. Daher sind in der humanen Psychiatrie Räume der Freiheit wichtig.

Man darf nicht alles bloß unter therapeutischen Gesichtspunkt sehen. Manfred Lütz erläutert: „Die Patienten müssen auch mal tun und lassen können, was sie wollen. Sie sollen ohnehin so weit wie möglich in die Therapieplanung einbezogen werden.“ Es gibt nur wenige Studien darüber, auf welche Weise Ergotherapie, Kunsttherapie und Musiktherapie helfen. Sicher ist aber, dass sie dort wohl kaum eine therapeutische Wirkung entfalten können, wo sie nur als aufgezwungene Behandlung erlebt werden. Quelle: „Neue Irre!“ von Manfred Lütz

Von Hans Klumbies

Related posts

Leave a Comment