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Menschen streben nach Stimmigkeit

Sich auszukennen, die Regeln zu verstehen, die in der Welt gelten, ist für das Überleben entscheidend. Deshalb ist auch das Streben nach Stimmigkeit tief im menschlichen Gehirn verankert. Hans-Otto Thomashoff fügt hinzu: „Andauernd suchen wir nach Erklärungen, mit der Folge, dass wir nicht selten sogar dort Zusammenhänge sehen, wo gar keine sind.“ Das Gehirn greift auf Schablonen zurück, um sich ein Bild von der Welt im Hier und Jetzt zu machen, die es aus früheren Erfahrungen im Leben gesammelt hat. Stimmt Schablone der Erwartungshaltung mit der äußeren Realität überein, kennen Menschen sich aus. Der Verstand signalisiert, dass er die Erklärung für den gefühlten Zustand gefunden hat. Hans-Otto Thomashoff ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse in eigener Praxis in Wien.

Das Gehirn strebt nach einem Belohnungscocktail

Im Gehirn stellt sich eine ausgeglichene Erregung ein, und es verwöhnt sich selbst mit einem hirneigenen Belohnungscocktail: Heureka! Hans-Otto Thomashoff stellt fest: „Also fühlen sich Verschwörungstheorien für den, der an sie glaubt, gut an, weil sie sein Bedürfnis nach Stimmigkeit bedienen. Besonders zur Erklärung von Gefühlen, die eigentlich ganz andere Ursachen haben, sind Verschwörungstheorien genau das Richtige.“ Viele Menschen sind frustriert darüber, dass sie keinen Erfolg im Beruf haben.

Sie entlastet die vermeintliche Erkenntnis, dass daran das System, die bösen Kapitalisten oder auch gleich wieder die Ausländer schuld sind. Die vernetzte Welt erlaubt zudem, Verschwörungstheorien mit Gleichgesinnten zu kultivieren und sich durch sie bestätigt zu sehen. Nichts intensiviert Stimmigkeit stärker, als wenn man sie mit anderen teilt. Der ausgeglichene Erregungszustand von Gefühl und Verstand wird durch die Resonanz mit anderen vertieft, zu denen sich eine verständnisvolle Bindung einstellt.

Erfolgreiche Politiker können Stimmigkeit herstellen

Stimmigkeit entscheidet auch über Erfolg oder Misserfolg von Politikern. Denn erfolgreiche Politiker sind in der Lage, Stimmigkeit herzustellen. Was sie sagen, wird verstanden. Vor allem, wenn es ihnen gelingt, das Publikum in seinem Gefühl anzusprechen, stellt sich zwischen ihnen und ihren Zuhörern Resonanz ein. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass es Politikern gelingt, ihre Persönlichkeit stimmig erscheinen zu lassen. Genau das dürfte der entscheidende Grund für den Wahlsieg Donald Trumps 2016 in den USA gewesen sein.

Hans-Otto Thomashoff erläutert: „Sein Auftreten war stimmig. Sämtliche Anschuldigungen prallten an ihm ab, denn selbst wenn sie wahr waren, passten sie zu seiner Persönlichkeit.“ Zugleich traf sein Gefühl ins Herz einer großen Zahl seiner Landsleute, die sich von der Politik der Eliten im fernen Washington im Stich gelassen fühlten. Wiewohl Trump selbst Teil der Elite war, gelang es ihm, durch seine impulsive Wut als Outsider dazustehen, der im Gefühl in Resonanz mit seinen wütenden Wählern stand. Quelle: „Mehr Hirn in die Politik“ von Hans-Otto Thomashoff

Von Hans Klumbies

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