Leiden und Glück lässt sich nicht trennen
Die Auffassung, dass das Glück der Menschen vor allem etwas mit ihrer Sterblichkeit und der Vergänglichkeit zu tun hat, war in der Antike weit verbreitet. Im praktischen Leben kann diese Einsicht helfen, besser mit Schmerz, Trauer und Verlust umzugehen. Denn dann versteht man, dass diese Aspekte des Lebens notwendig mit Glück und Freude verbunden sind. Albert Kitzler stellt fest: „Wir können das eine nicht ohne das andere haben. Sie sind wie mit einem Strick zusammengeknotet, bemerkte Sokrates einmal.“ Das Verstehen dieser Lebenstatsache macht die Menschen duldsamer und stärker. So können sie unvermeidbares Leiden leichter ertragen. Man kann dann damit umgehen, die emotionale Erschütterung, die von solchen Leiden ausgeht, abzufedern und in seiner Mitte zu bleiben. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.
Innere Seelenruhe führt zum Glück
Für Platon entspringt das Glück der inneren Haltung und kommt nicht von außen: „Vor ihr hängt es ab, ob der Mensch ein gutes Leben führen kann. Und dadurch die Glückseligkeit erreicht, die sein Ziel ist. Denn sie beruht auf dem dauernden Wohlgefühl. Diese entspring aus der inneren Harmonie und der ungestörten Zufriedenheit.“ Aus innerer Seelenruhe und Ausgeglichenheit erwächst also das Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Der Grieche Pittakos, einer der Sieben Weisen sagt: „Im Glück sei mäßig, im Unglück besonnen.“
Derselbe Pittakos meint: „Die Lüste sind vergänglich, die Tugenden (Weisheit) unvergänglich.“ Der Gedanke, sich im Glück zu mäßigen und nicht in ungezügelten Jubel zu verfallen, war im alten Griechenland weitverbreitet. Er findet sich dort in den Texten zahlreicher Dichter und Denker. Albert Kitzler erläutert: „Ihm lag die Erkenntnis zugrunde, dass äußeres Glück und Lustgefühle vergänglich sind.“ Je maßloser und unbesonnener man sich von einem augenblicklichen Glücksgefühl hinreißen lässt, desto heftiger ist die Erschütterung beim Wechsel ins Gegenteil.
Sokrates zeigte ein Höchstmaß an Resilienz
Umgekehrt erträgt man unausweichliches Leid leichter, wenn man das Glück zwar genießt, dabei aber nicht vergisst, wie schnell die Stimmung umschlagen kann. Da mag das Leid häufig gar nicht mehr eintreten wollen. Es meidet den, der vorbereitet und gewappnet ist. Das Ergebnis einer solchen Haltung ist innere Ausgeglichenheit. Von Sokrates hieß es, er blieb sich immer gleich, im Glück wie im Unglück. Er wahrte seine Mitte und ruhte in sich. Sokrates blieb gelassen und heiter. Er zeigte ein Höchstmaß an Resilienz, würde man heute sagen.
Aus einem chinesischen Text unbekannten Ursprungs stammt der folgende Ausspruch: „Keine Tür gibt es für Glück und Unglück, der Mensch ruft sie selber herein.“ Der Gedanke, der hier zum Ausdruck kommt, entsprach der weitverbreiteten Auffassung des Weisen der Antike in West und Ost. Eine nachhaltige innere Zufriedenheit ist das Ergebnis eines gelingenden Umgangs mit sich selbst. Denn seelisches Wohlbefinden hat viel mit den persönlichen Haltungen und der eigenen Lebensführung zu tun. Quelle: „Weisheit to go“ von Albert Kitzler
Von Hans Klumbies