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Heinz Bude plädiert für Übungen der Achtsamkeit

Auf die Diagnose der Erschöpfung folgt heute für viele Menschen die Therapie der Achtsamkeit. Erschöpft sind sie durch die Beschleunigung der Verhältnisse, der Flüchtigkeit der Kontakte und dem Zwang zur ständigen Optimierung der gesamten Lebensweise. Deshalb will das Ich wieder mehr bei sich sein, zu sich kommen und bei sich bleiben. Übungen in Achtsamkeit versprechen laut Heinz Bude ein Innehalten und die Konzentration aufs Wesentliche. Zudem erlangt man die Fähigkeit zurück, Grenzen zu setzen, Distanz zu halten und für sich selbst zu sorgen. Heinz Bude fügt hinzu: „Statt einfach weiter zu funktionieren, bis es nicht mehr geht, ergeht der Rat, mal still zu sitzen, im Konjunktiv zu denken oder dem Regen zuzuhören.“ Seit dem Jahr 2000 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Das achtsame Ich kann Dinge auf sich zu kommen lassen

Achtsamkeit verbindet man mit einem besonderen Verhältnis zur Welt. Dieses ist durch Aufgeschlossenheit, Absichtslosigkeit, Gegenwartsbezogenheit und Hingabe gekennzeichnet. Das achtsame Ich muss nicht immer alles bewerten und kann die Dinge auf sich zukommen lassen. Trotzdem verfügt es über eine Antenne für das Wesentliche und ist auf Empfangen eingestellt. Es hat aber keine Angst etwas zu verpassen, und erweist sich so als ein Ich von einem anderen Stern.

Heinz Bude warnt: „Die versprochene Versetzung der Existenz hat aber ihren Preis.“ Das wird deutlich, wenn man sich eines der Achtsamkeitskonzepte näher anschaut. Als besonders ausgearbeitet gilt das Programm der „Mindful Based Stress Reduction“ von Jon Kabat-Zinn. Den Hintergrund bildet hier der kalifornische Geist der 1970er Jahre. Dieser war aufgrund seiner kritischen Position zur Psychiatrie als Institution und Wissenschaft immer schon offen für alternative klinische Modelle.

Die Selbstimmunisierung beruht auf meditativen Techniken

Jon Kabat-Zinn geht es um das Erwachen aus Angst und Unwissenheit und um die Reinigung des Geistes von einer chronischen Vergiftung. Denn diese hindert die Menschen daran, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Alles ist mit allem verbunden und nichts geschieht ohne Grund. Deshalb bedeutet Achtsamkeit das Gewahr werden der Verbundenheit aller Phänomene, das dem Menschen die Tür zu seinem ursprünglichen Sein öffnet. Wenn man sich dann im wahren Wachsein befindet, sieht alles klar und durchsichtig aus. Und nichts stört mehr das Einssein mit dem allumfassenden Ganzen.

Im Zustand müheloser Einfachheit ist man immun für sinnlose Konflikte, repetitive Kontroversen und verbissene Konkurrenten. Jon Kabat-Zinn sagt: „Das Wichtigste überhaupt ist, man selbst zu sein und nicht zu versuchen, irgendetwas zu werden, das man nicht schon ist.“ Die Selbstimmunisierung beruht auf meditativen Techniken. Zuerst in der Kosmisierung des Alltags, in jedem Augenblick des Ganzen gewahr zu sein. Im Hier und jetzt verschwindet dadurch jede scharfe Differenz und jeder harte Widerstand. Quelle: „Solidarität“ von Heinz Bude

Von Hans Klumbies

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