Allgemein 

Streitigkeiten durchlaufen meist drei Phasen

Die meisten Streitigkeiten durchlaufen drei Phasen, die laut dem Konfliktforscher und Psychologen Friedrich Glasl überall auf der Welt zu finden sind. Helga Kernstock-Redl erklärt: „Zu Beginn geht es um die Klärung von Differenzen und Sachfragen, Argumente werden genannt, eine intensive, vielleicht durchaus leidenschaftlich geführte „Diskussion mit Gefühl“ läuft ab.“ Von Schuld- und Opfergefühlen ist keine Rede, es geht um Fragen wie zum Beispiel: „Wie finden wir eine Lösung? Was ist der beste Kompromiss? Wie kann ich meine Ansicht durchsetzen?“ Falls es nicht gelingt, fallen erste Anschuldigungen, das Thema „Gerechtigkeit“ kommt ins Spiel. In Phase zwei, dem „Gerechtigkeitskampf“ treten die ursprünglichen, vielleicht sachlichen Differenzen oder Ziele Schritt für Schritt in den Hintergrund. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.

In Phase zweit dominiert die Eskalation

Schuld- und Opfergefühle übernehmen das Ruder, Ärger liefert den Treibstoff. Jetzt reicht eine konkrete Sachlösung, die in Phase eins diesen Konflikt sofort beendet hätte, nicht mehr aus – eine sicheres Zeiten der Eskalation. Sobald Helga Kernstock-Redl in einem Konflikt den Satz hört: „Aber es geht doch ums Prinzip!“, läuten bei ihr alle Alarmglocken, denn der Verstand und logische Kosten-Nutzen-Überlegungen haben sich vermutlich schon verabschiedet.

Die Beteiligten schaukeln einander vielleicht weiter emotional hoch. Helga Kernstock-Redl weiß: „Nahezu immer wird dabei die eigene Wahlfreiheit geleugnet, und damit Schuldzuweisungen und Schuldgefühle abzuschmettern.“ Das eigene Verhalten wird als „logische Konsequenz“ oder „angemessene Gegenwehr“ deklariert: „Ich konnte doch gar nicht anders. Wenn man so provoziert wird, muss man doch …!“ Dann folgt die Beschuldigung als Gegenschlag: „Aber Sie! Sie hätten doch wirklich ganz einfach …“ Andere Menschen beteiligten sich am Streit, mischen sich ein, wollen schützen oder verfolgen ganz eigene Ziele.

In der allerletzten stürzen sich die Streitenden gemeinsam in den Abgrund

Meist laden beide Seiten dazu ein, sammeln Unterstützungserklärungen, gewinnen Mitstreitende. Beide Seiten handeln gefühlt noch immer ehrenwert, streben sie doch „eigentlich“ nach Gerechtigkeit. Helga Kernstock-Redl fügt hinzu: „Irgendwann wird die andere Seite zum ultimativen Bösen erklärt, gegen das man sich mit aller Kraft wehren muss, um das erlittene Unrecht zu sühnen. Racheakte sind längst an die die Stelle von Vorwürfen getreten.“

Die allerletzte Phase nennt Friedrich Glasl treffend „Gemeinsam in den Abgrund“, die die Beteiligten haben sich blindwütig ineinander verbissen. Helga Kernstock-Redl stellt fest: „Irgendwann trifft hoffentlich eine obere Instanz eine Entscheidung, die sich auf ein allgemein anerkanntes Gesetz stützen muss. Oder die Lösung wird von einer mächtigen Autorität oder durch den Zusammenbruch der Kräfte einer Seite erzwungen.“ Nun gibt es möglicherweise offiziell die gewinnende und die verlierende Partei, doch in Wahrheit hat der Konflikt beide Seiten unfassbar viel Lebensqualität in Form von Zeit, Geld und Nerven gekostet. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl

Von Hans Klumbies

Related posts

Leave a Comment