Eine Quelle von Dummheit ist die Faulheit
Ein weiterer und schier unerschöpflicher Quell von Dummheit oder dummen Entscheidungen ist die Trägheit bzw. Faulheit. Vor allem, wenn es darum geht, die eigene Entscheidungsgrundlage über die Beschaffung von Fakten zu erweitern. Heidi Kastner erläutert: „Die Ursachen dafür liegen wohl in der conditio humana, in der Anstrengung vermieden wird und Anstrengungsbereitschaft nicht gerade als Dauerzustand vorhanden ist.“ Sie liegen auch in der Kritiklosigkeit, mit der Informationen unabhängig von ihren Quellen als gleichwertig wahrgenommen werden. Und in der Möglichkeit, eigene Vorurteile bei anderen jederzeit bestätigt zu finden, um sich schließlich nur mehr mit Gleichgesinnten auszutauschen. Zudem liegen sie in dem mangelhaften Training des Urteilsvermögens, das scheinbar nicht benötigt wird. Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Seit 2005 ist sie Chefärztin der forensischen Abteilung der Landesnervenklink Linz.
Die Vorgaben von Kirche und Staat waren Gesetz
Die Bereitschaft zur kritiklosen Übernahme vorgegebener Positionen erwächst in Österreich, aber ebenso auch in Deutschland, aus kulturtraditionell gut aufbereitetem Boden. Heidi Kastner erläutert: „Über ein Jahrtausend lange wurde der einzig zulässige Blick auf gesellschaftliche und weltanschauliche Fragen und Themen von Kirche und Staat vorgegeben und es war mit einem hohen Risiko für die eigenen soziale Stellung oder gar das Leben verbunden, diese Vorgaben laut zu hinterfragen oder sich explizit dagegen zu positionieren.“
Nach wie vor behindern in vielen Teilen der Welt Religionen oder Weltanschauungen die bestmögliche Bewältigung realer Probleme, was James Welles 1986 in seiner kulturgeschichtlichen Analyse mit Beispielen politisch dummer Entscheidungen belegte. Die Freiheit der eigenen Meinung und der Meinungsäußerung wurde erst im Zuge der Aufklärung teuer erkämpft und sollte den Weg bereiten für einen eigenständigen, selbstverantwortlichen Umgang mit den Problemen, die sich im Zusammenleben mit anderen und im Umgang mit einer immer komplizierteren und differenzierteren Welt ergaben.
Vorläufige Meinungen ersparen das eigene Nachdenken
Ab der Epoche der Aufklärung verdrängte man simple Erklärungsmuster durch komplexe naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Wie so oft hat sich die daran geknüpfte Hoffnung, damit die Lebensbedingungen für alle zu verbessern, nicht in der erwarteten Form erfüllt. Der Ökonom John Kenneth Galbraith formulierte es so: „Was als hoher Lebensstandard bezeichnet wird, besteht weitgehend aus Maßnahmen zur Schonung der Muskelkraft, zur Steigerung sinnlicher Genüsse und zur Erhöhung der Kalorienaufnahme über jedes vernünftige Ernährungsbedürfnis hinaus.“
Heidi Kastner stellt fest: „Dies wäre heutzutage wohl zu erweitern um den Konsum von frei wählbaren vorläufigen Meinungen, die eigenes Nachdenken ersparen und in einer derartigen Bandbreite allzeit verfügbar sind, dass jeder die für seine eigene aktuelle Befindlichkeit passende Position als Fertiggericht konsumieren kann und sich in bester Gesellschaft wähnt.“ Der Philosoph Immanuel Kant bezeichnete den Mangel an Urteilskraft als „das, was man Dummheit nennt“. Quelle: „Dummheit“ von Karin Kastner
Von Hans Klumbies