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Erinnerungen an die Babyzeit sind unmöglich

Viele Menschen haben ein immenses Interesse für Erinnerungen an ihre frühe Kindheit. Manche interessieren sich sogar für vorgeburtliche Erinnerungen. Julia Shaw erklärt: „Wir alle möchten unsere frühesten Erinnerungen zu fassen bekommen und die Wirkung verstehen, die die Dinge damals auf uns hatten.“ Manche möchten ihre Erinnerungen auch gerne anderen mitteilen. Es gibt unzählige Menschen, die behaupten, sie könnten sich an ihre Geburt erinnern. Oder sie hätten Erinnerungen an ihre Zeit als Baby. Sie wüssten sogar noch, wie ihr Kinderzimmer oder ihr Bettchen aussah. Wenn man einen Moment innehält und überlegt, ist das alles ziemlich unglaubhaft. Wie kann es sein, dass sich diese Menschen an irgendetwas davon erinnern konnten, wenn sie noch so klein waren? Kurz und knapp: Sie konnten es nicht. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

Babygehirne können keine Langzeiterinnerungen bilden

Jeder Mensch hat eine erste Erinnerung, denn eine seiner Erinnerungen muss eindeutig die älteste sein. Und wenn man den Glauben an frühere Leben ausschließt, muss das eine Erinnerung an ein Ereignis in einem Zeitraum sein, von dem man wissen kann. Irgendwann zwischen heute und dem Beginn der geistigen Existenz ist dieser Zeitpunkt angesiedelt. Manche Menschen behaupten, sie könnten sich an den Raum im Krankenhaus, in dem sie geboren wurden, oder an Wärme im Bauch ihrer Mutter erinnern. Dann sprechen sie jedoch von etwas, das Psychologen „unmögliche Erinnerungen“ nennen.

Julia Shaw erläutert: „In der Forschung steht schon seit langem fest, dass wir als Erwachsene keine zutreffenden Erinnerungen an unsere Säuglingszeit und frühe Kindheit haben können.“ Das beruht auf einer einfachen Tatsache. Die Gehirne von Babys sind physiologisch noch nicht dazu in der Lage sind, Langzeiterinnerungen zu bilden und zu speichern. Dennoch scheinen viele Menschen solche Erinnerungen zu haben. Und sie sind auch oft davon überzeugt, dass sie richtig sind. Denn sie sehen keine andere einleuchtende Möglichkeit, wie sie sonst zu solchen Erinnerungen gekommen sein könnten.

Bei Erinnerungen kommt es zu Quellenverwechslungen

Doch es gibt andere plausible Möglichkeiten: Es kann zum Beispiel externe Quellen für diese Informationen geben: alte Fotos oder Erzählungen der Eltern. Vielleicht hat man sogar noch Erinnerungen an Gegenstände, die einem persönlich wichtig waren. Denn sie waren auch noch viel später im Leben vorhanden. Man weiß also, dass zumindest ein Teil des Rohmaterials, das nötig ist, damit man ein überzeugendes Bild von der eigenen frühen Kindheit entwerfen kann, auch woanders zu finden ist.

Julia Shaw ergänzt: „Wenn wir dann diese Informationen in scheinbar passende Kontexte einbetten, können wir unabsichtlich unsere Gedächtnislücken füllen und Details erfinden.“ Das Gehirn setzt Bruchstücke von Informationen so zusammen, dass sie sinnvoll werden. Sie fühlen sich dann wie echte Erinnerungen an. Das ist keine bewusste Entscheidung seitens der Person, die sich erinnert, sondern passiert automatisch. Zwei der wichtigsten Prozesse, durch die das geschieht, nennt man Konfabulation und Quellenverwechslung. Quelle: „Das trügerische Gedächtnis“ von Julia Shaw

Von Hans Klumbies

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