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Die völlige Fremdbestimmung führt zu Apathie

Die Erkenntnis, dass Fremdbestimmung in der Arbeit Menschen stressen und letztlich erschöpfen kann, ist schon lange bekannt. Andreas Salcher nennt ein Beispiel: „Im Fall der Fließbandarbeit sind die Mitarbeiter in fast allen Dimensionen der Arbeit fremdbestimmt. Der Arbeitsbeginn, die Pausen und das Ende werden exakt durch die Zeiterfassungssysteme vorgegeben, der Arbeitsrhythmus ist machinengesteuert. Diese völlig Fremdbestimmung führt durch den Gewöhnungseffekt jedoch meist eher zur Apathie als zur Erschöpfung. In der griechischen Mythologie ist unnütze Arbeit ohne Sinn eine der grausamsten Strafen. In seinem Buch „Der Mythos des Sisyphos“ schreibt Albert Camus: „In Sisyphos, der die Sinnlosigkeit der Wiederholung zu ignorieren scheint und unbeirrt seinen Stein nach oben rollt, erkennen wir uns als Menschen wieder.“ Dr. Andreas Salcher ist Mitgebegründer der „Sir Karl-Popper-Schule“ für besonders begabte Kinder. Mit mehr als 250.000 verkauften Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.

Manche Menschen haben alles und sind trotzdem unglücklich

Albert Camus fährt fort: „Sisyphos provoziert, weil er uns zu uns selbst befragt – warum wir uns immer wieder den Bedingungen der menschlichen Existenz beugen und den Stein nicht einfach unten liegen lassen.“ Eine Interpretation dieses Zitats in Zeiten der Krise könnte lauten: Menschen, die alles haben und trotzdem erschöpft und unglücklich sind, haben den ersten Gipfel mit Karriere, Geld und Status geschafft. Andreas Salcher ergänzt: „Sie glauben, die beste Zeit läge bereits hinter ihnen und es ginge ohnehin nur noch bergab.“

Es mangelt ihnen an Zielen und vor allem an Hoffnung. Andreas Salcher erläutert: „Dabei übersehen sie den Anstieg zum zweiten Berg, auf dessen Gipfel Werte wie Lebenssinn, Bestimmung und Gemeinschaft auf sie warten.“ Im Gegensatz dazu scheut der ums wirtschaftliche Überleben ringende Unternehmer – gleich dem Sisyphos – nicht, die Anstrengung auf sich zu nehmen, um am Gipfel eine bessere Aussicht zu genießen und irgendwann ein besseres Leben auf der Hochebene zu erreichen.

Starre Arbeitszeiten sind eine Zumutung

Was ihn mit Sisyphos verbindet, ist die Disziplin, was ihn unterscheidet, ist die realistische Möglichkeit, den Gipfel tatsächlich zu erklimmen. Starre Arbeitszeiten dagegen sind eine Zumutung, denn sie beschneiden das Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Andreas Salcher weiß: „Reine Fließbandtätigkeit verliert, zumindest in den Industriestaaten immer mehr an Bedeutung, weil sie kostengünstiger durch Roboter erledigt werden kann.“ Logistikzentren aber wie etwa jene von Amazon bauen aber noch immer auf den Prinzipien der fremdbestimmten Arbeit auf.

Zahlenmäßig weit bedeutsamer sind Botenfahrer, Servicekräfte in der Systemgastronomie, Lieferdienste, Reinigungs- und allgemeines Hilfspersonal. Andreas Salcher erklärt: „Menschen, die diese Jobs machen, tun das selten, weil sie sich nach Erfüllung in der Arbeit sehnen, sondern weil sie aufgrund ihrer Qualifikation wenig andere Möglichkeiten sehen, ihre Kinder zu versorgen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.“ Warum sinkt ein Teil von ihnen nach Dienstschluss erschöpft vor den Fernseher, während andere noch genug Energie für ihre Kinder, Freunde und Freizeitaktivitäten haben? Quelle: „Die große Erschöpfung“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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