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Menschen stecken voller Widersprüche

Rebekka Reinhard weiß: „Menschen sind nicht von Umwelt und Genetik allein bestimmt, und sie sind auch keine Algorithmen. Sie agieren nicht vorhersagbar wie eine Turing-Maschine. Menschen treffen eigene Entscheidungen.“ Sie können tun – und „nicht tun“. Sie verspüren Angst und Lust – und Angstlust. Sie haben mehr oder weniger vernünftige Gründe für ihre Lebensentscheidungen – oder sie entscheiden mit dem Herzen. Und sie besitzen ein moralisches Empfinden, das ihnen den Unterschied zwischen Würde und Würdelosigkeit vermittelt. Das singulär-plurale Lebewesen namens Mensch ist ein ewiges „work in progress“, nie auf ein Fertigwerden angelegt. Es ist eine Wundertüte aus Stärke und Verletzlichkeit, es steckt voller Widersprüche. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.

Hannah Arendt differenzierte zwischen dem „Was“ und dem „Wer“ einer Person

Und der Mensch existiert nur in, mit und durch Beziehungen zu anderen Menschen. Zu anderen, die sich gegenseitig ärgern und in den Wahnsinn treiben, einander aber auch überlebensnotwendige Anerkennung, Liebe und Halt geben. Hannah Arend schrieb: „Handelnd und sprechend offenbaren die Menschen jeweils, wer sie sind […], treten gleichsam auf die Bühne der Welt, auf der sie vorher so nicht sichtbar waren.“ Die Philosophin differenzierte zwischen dem „Was“ und dem „Wer“ einer Person.

Das „Was“ eines Menschen lässt sich nach behavioristischer, transhumanistischer, computer-logischer Manier in Daten und Zahlen pressen. Das „Wer“ nicht. „Wer“ sagt nicht, was es ist. Rebekka Reinhard erläutert: „Es formuliert nicht, es ist nicht explizit, es zeigt sich einfach. In der Stimme, im Lachen, in Worten, Gesten, Bewegungen eines Menschen; durch ein Hinschauen oder Wegschauen, ein Streiten oder Nachdenken, ein Handeln oder Nichthandeln.“

Nichts und niemand ist einfach entweder so oder so

Was kann der Mensch? Diese Frage entscheidet sich an diesem „Wer“ – immer wieder neu und anders. Weiche Helden leben ihr „Wir“, nicht ihr „Was“. Sie verlangen nicht von anderen Menschen, dass diese sich mit der eigenen Person identifizieren und sie bewundern. Rebekka Reinhard stellt fest: „Sie zeigen bloß, was passieren könnte, wenn man vom Weg des heroisch selbst kontrollierten Aktionismus abweicht. Sie können zum Beispiel aufhören zu kämpfen.

Bei Laotse und in der asiatischen Denktradition sind Ambivalenzen und Paradoxien keine Monster, auf die es Jagd zu machen gilt. Rebekka Reinhard betont: „Nichts und niemand ist einfach entweder so oder so.“ Moderne Menschen mögen sich von der Computer-Logik auf ein bestimmtes „Was“ hinsteuern lassen. Ihr „Wer“ zeigt etwas anderes: dass menschliche Wesen zugleich schön und hässlich sind, gut und schlecht, offen und borniert – und alles jenseits solcher Dichotomien. Quelle: „Wach denken“ von Rebekka Reinhard

Von Hans Klumbies

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