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In der Psychiatrie herrschte ein Meinungschaos

Angst kann durchaus nützlich sein. Die meisten Menschen haben jedoch mehr als nötig davon. Zu wenig Angst dagegen kann zu einer Katastrophe führen. Randolph M. Nesse erklärt: „Die Aufgabe der Psychiatrie besteht darin, Menschen dabei zu helfen, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die sie zu vermeiden versuchen.“ Allerdings herrschte im Psychiatriebetrieb lange Zeit das reinste Meinungschaos. Das bedeutet nicht, dass psychiatrische Therapieansätze unwirksam sind. Für fast alle psychiatrischen Probleme gibt es eine Lösung, und die Therapie kann bemerkenswert oft eine dauerhafte Heilung bewirken. Menschen mit Panikstörungen und Phobien erleben so verlässlich eine Besserung, dass die Behandlung eintönig würde, wenn es nicht die Zufriedenheit gäbe, mitzuerleben, wie sei in ein rundum erfüllendes Leben zurückkehren. Professor Randolph M. Nesse ist Mitbegründer der Evolutionären Medizin. Seit 2014 lehrt er and er University of Arizona, wo er als Gründungsmitglied und Direktor das Center for Evolution and Medicine leitet.

Nicht alle emotionalen Störungen sind auf Hirnerkrankungen zurückzuführen

Selbst Menschen mit schweren Störungen kommen oft in den Genuss spektakulärer Besserungen. Randolph M. Nesse erhielt unverhofft ein E-Mail von einer Patientin, die vor fünfundzwanzig Jahren bei ihm war. Sie bedankten sich spontan und von ganzem Herzen, weil die erfolgreiche Behandlung ihrer Zwangsneurose ihr Leben dramatisch verändert und sie möglicherweise sogar gerettet hatte. Es gibt viele Bücher, die das Feld der Psychiatrie unter Beschuss nehmen.

Das Buch „Gute Gründe für schlechte Gefühle“ von Randolph M. Nesse gehört nicht dazu. Er gibt jedoch zu: „Und ja, die riesigen Umsätze der Pharmagiganten haben in der Psychiatrie mehr Korruption zur Folge als in einigen anderen medizinischen Spezialgebieten.“ Die von der Industrie finanzierten Werbekampagnen und professionellen „Aufklärungsmaßnahmen“ fördern eine auf maximale Gewinnsteigerung ausgerichtete vereinfachte Sichtweise. Diese geht davon aus, dass alle emotionalen Störungen auf Hirnerkrankungen zurückzuführen sind und eine medikamentöse Therapie erfordern.

Die psychiatrische Arbeit ist meist zutiefst befriedigend

Doch die Mehrzahl der Psychiaterinnen und Psychiater, die Randolph M. Nesse kennt, sind nicht vom finanziellen Gewinn, sondern von Fürsorglichkeit und dem Gedanken getrieben, wie sie ihren Patienten helfen können, mit welchen Erfolg versprechenden Mitteln auch immer. Randolph M. Nesse betont: „Die meisten von uns finden in vielen Nächten keinen Schlaf, weil sie sich um Patienten sorgen und sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihnen helfen können.“

Den meisten Betroffenen geht es jedoch irgendwann besser, und die Möglichkeit, unser Scherflein beizutragen, macht die psychiatrische Arbeit trotz aller Herausforderungen zutiefst befriedigend. Randolph M. Nesse fügt hinzu: „Die Herausforderung, psychische Störungen besser zu verstehen, ist im Gegensatz dazu zutiefst unbefriedigend. Nachdem ich einige Jahre lang einen Lehrstuhl für Psychiatrie bekleidet hatte, war ich nicht nur frustriert, sondern auch verwirrt.“ Dieser Bereich schien sich zu verengen und auf den Leitsatz zu fokussieren: „Psychische Störungen sind Gehirnerkrankungen.“ Quelle: „Gute Gründe für schlechte Gefühle“ von Randolph M. Nesse

Von Hans Klumbies

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