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Aufgabenkonflikte können nützlich sein

Neue Denkweisen erwachsen oft als alten Bindungen. Es scheint, dass Menschen auf einer Wellenlänge sein müssen, um gemeinsam voranzukommen. Doch die Wahrheit ist komplizierter – wie alle Wahrheiten. Eine der weltweit führenden Konfliktforscherinnen ist die in Australien ansässige Karen „Etty“ Jehn. Adam Grant stellt fest: „Wenn Sie an Konflikte denken, stellen sich sie wahrscheinlich vor, was Etty Beziehungskonflikte nennt – persönliche, emotionale Auseinandersetzungen, die nicht nur von Spannungen, sondern auch Feindseligkeit geprägt sind. Doch Etty hat noch eine andere Variante namens Aufgabenkonflikt entdeckt – Auseinandersetzungen über Ideen und Meinungen. Die Frage ist, ob die beiden Konfliktarten unterschiedliche Folgen haben. Insgesamt wurden dazu im Rahmen von mehr als hundert Studien Konfliktarten in über 8.000 Teams untersucht. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der renommierten Wharton Business School. Seine Forschungsbeiträge im Bereich Motivation und Produktivität wurden vielfach ausgezeichnet.

Das Fehlen von Konflikten bedeutet Apathie

Eine Metaanalyse dieser Studien zeigte, dass Beziehungskonflikte im Allgemeinen die Leistung beeinträchtigen, einige Aufgabenkonflikte jedoch nützlich sein können: Sie werden mit einer größeren Kreativität und klügeren Entscheidungen in Verbindung gebracht. Adam Grant erläutert: „So gibt es Hinweise darauf, dass Teams, in denen es zu einem frühen Zeitpunkt leichte Aufgabenkonflikte gibt, Folgendes tun: Sie entwickeln, wie in chinesischen Technologiefirmen geschehen, originellere Ideen, führen, wie in niederländischen Lieferservices beobachtet, mehr Neuerungen ein, und treffen, wie in amerikanischen Krankenhäusern geschehen, bessere Entscheidung.“

Wie ein Forscherteam schlussfolgerte: „Das Fehlen von Konflikten bedeutet nicht Harmonie, sondern Apathie. Beziehungskonflikte dagegen sind teilweise destruktiv, weil sie dem Umdenken im Weg stehen. Adam Grant ergänzt: „Wenn ein Streit persönlich und emotional wird, werden wir zu selbstgerechten Predigern und Ansichten, zu gehässigen Anklägern der anderen Seite oder zu unbeirrbaren Politikern, die von den eigenen Sichtweisen abweichende Meinungen ablehnen.“

Nochmaliges Nachdenken bringt einen Menschen der Wahrheit näher

Aufgabenkonflikte können dagegen konstruktiv sein, wenn sie Gedankenvielfalt herbeiführen, und Menschen davon abhalten, in Selbstüberschätzungszyklen hineinzugeraten. Adam Grant betont: „Sie können uns helfen, demütig zu bleiben, können Zweifel an die Oberfläche bringen und uns neugierig darauf machen, was uns entgehen könnte. Das kann uns dazu veranlassen, noch einmal nachzudenken, und uns der Wahrheit näherbringen, ohne unseren Beziehungen Schaden zuzufügen.“

Obwohl es eine wichtige Lebenserfahrung ist, sich produktiv auseinandersetzen zu können, haben viele Menschen diese Fertigkeit nie vollständig entwickelt. Adam Grant weiß: „Das Problem beginnt früh: Eltern streiten sich hinter verschlossenen Türen, weil sie fürchten, dass Konflikte Kinder verängstigen oder sich schädigend auf ihren Charakter auswirken.“ Forschungen zeigen jedoch, dass es keinen Einfluss auf die schulische, soziale oder emotionale Entwicklung von Kindern hat, wie oft ihre Eltern sich streiten. Quelle: „Think Again“ von Adam Grant

Von Hans Klumbies

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