Angst und Zorn zählen zu den Grundemotionen
Aus biologischer Sicht spricht viel dafür, dass Menschen weltweit nur etwa ein Dutzend Grundemotionen hegen. Philipp Hübl kennt sie: „Klare Kandidaten sein Angst, Zorn, Ekel, Traurigkeit und Freude; andere wie Staunen, Eifersucht und Peinlichkeit sind umstrittener.“ Die Nuancen der Grundemotionen fächert die Wissenschaft allerdings sehr fein auf, und zwar oft nach den oben genannten Dimensionen von Emotionen: Verhalten, Bezug, Bewusstsein, Ausdruck, Bewertung. Ganz gleich, wie man sich ausdrückt, wenn man über Angst spricht: Am Ende pulsiert immer die Amygdala, also der Mandelkern, der nussgroß jeweils rechts und links im unteren Schläfenlappen liegt. Die Amygdala ist Teil des neuronalen Schaltkreises der Angst. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).
Es gibt die unterschiedlichsten Spielarten der Ängste
Innerhalb der Gruppe der Ängste kann man viele Spielarten unterscheiden. Lampenfieber zum Beispiel ist eine Angst mit einem speziellen Bezug, nämlich vor anderen Menschen aufzutreten. Bei Wörtern wie „Flugangst“ und „Prüfungsangst“ nennt man das Objekt der Angst im Wort gleich mit. Nicht nur auf der Intensitätsskala unterscheidet man zwischen leichter Aufregung und Heidenangst. Auch die Dimension der Bewertung kennt Abstufungen: Grusel ist die Angst vor dem Unheimlichen und zeigt eine latente, lauernde Gefahr an. Panik hingegen sagt: akute Lebensgefahr!
Mischt sich Angst mit Vergnügen, während man einen Thriller anschaut, wird sie zur Spannung. Ist man selbst daran beteiligt wie beim Bungee-Jumping, erlebt man diese Angstlust als Nervenkitzel. Und wenn einen die Angst daran hindert, jemanden zu töten, äußert sie sich als Scheu, mit anderen Worten: in einer Tötungshemmung. Nicht nur für die Angst, sondern für alle grundlegenden Emotionen kann man diese Nuancen durchspielen. Zur Zorn-Gruppe gehören unter anderen Wut, Ärger, Genervtsein, Aggression, Groll und die Empörung als moralischer Zorn.
Emotionen haben drei Funktionen
Die Angst warnt einen Menschen vor Gefahren und leitet einen Abwehrmechanismus ein. In den meisten Fällen ist das die Flucht oder zumindest ein Vermeidungsverhalten. Die Angst hat allerdings noch eine weitere Funktion und die liegt in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die Angst sieht man anderen Menschen an: Die Augen sind geweitet, das Kinn zur Brust geneigt, die Mundwinkel gerade nach hinten gezogen. Thriller und Horrorfilme wirken überhaupt nur, weil die Angst diese kommunikative Funktion hat.
Die Angst kann man anderen Menschen natürlich nicht nur ansehen, sondern man kann sie auch hören. Schreien kleine Kinder nach ihnen, hören die Eltern sofort, ob die Kleinen bloß bockig sind, oder ob Angst in ihrer Stimme liegt. Philipp Hübl erklärt: „Emotionen haben also drei Funktionen: Sie informieren uns durch eine automatische Bewertung über unsere Umwelt, sie leiten ein Verhalten ein und sie sind Teil der nichtsprachlichen Kommunikation, denn andere können an unserem Verhalten ablesen, wie es uns geht.“ Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl
Von Hans Klumbies