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Amokläufer scheinen ganz normal zu sein

Immer wieder kommt es zu Amokläufen in Schulen. Wo liegen die Wurzeln dieser neuzeitlichen Geißel der gutbürgerlichen Gesellschaft? Welche Umstände treiben einen meist in wohlhabenden Verhältnissen lebenden Jugendlichen an, wenn er sich zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt? Warum erschießen sie mit unglaublicher Kälte junge Menschen, bevor sie sich selbst zur Strecke bringen? Reinhard Haller antwortet: „Die äußeren Fakten sind rasch aufgezählt: Lebensgeschichte, Beziehungsmuster, soziale Umstände und Verhalten der jungen Amokläufer und Massakristen weisen große Ähnlichkeiten auf.“ Meist handelt es sich um unauffällig lebende, als zurückhaltend und einzelgängerisch geltende Individuen. In deren Familien sind keineswegs die sonst angeschuldigten dissozialen Strukturen und Tendenzen der Verwahrlosung anzutreffen. „Das wirklich Abnormale an diesen Tätern und ihrem Milieu ist das Normale“, schreiben die Profiler. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Schul-Amokläufer verwenden immer Schusswaffen

Die Amokläufer sind häufig von guter Intelligenz, haben jedoch im täglichen Leben irgendwo versagt. Sie gelten aber bei näherer Betrachtung als emotional isoliert und kontaktarm. Die Täter orientieren sich bei Kleidung und Vorgehensweise an ihren Vorgängern, posieren mit den Waffen im Internet und wählen nicht selten Jahrestage vorangegangener Taten aus. Sie verwenden immer Schusswaffen, zu denen sie meist leichten Zugang haben. Schul-Amokläufer handeln fast immer allein und gegen in ihren oft über das Internet veröffentlichten Botschaften einer oder mehreren Personen die Schuld an ihrem Versagen.

Reinhard Haller fügt hinzu: „Zuerst töten sie Menschen, die sie kennen, also die „Schuldigen“, in weiterer Folge aber auch Unbekannte. Bei den Opfern handelt es sich zu je einem Drittel um Schüler, Schulpersonal und unbeteiligten Personen. In den letzten Jahren enden die Amokläufe meist mit dem Suizid des Täters.“ Der Tatort Schule wird deswegen gewählt, weil er in dieser Lebensphase nahezu zwangsläufig der „Ort der größten Kränkung“ ist.

Amokschützen haben resigniert und sind verbittert

In der Schule hat der Täter reale oder fantasierte Benachteiligungen besonders gespürt, dort war er möglicherweise Hänseleien und Mobbing ausgesetzt. In der Schule hat er Gleichaltrige als zurückweisend und überlegen erlebt. Die Schule ist aber auch jener Ort, an welchem sich die heile Welt besonders repräsentiert und an welchem man die tiefsten Wunden anrichten kann. Nämlich am hoffnungsvollen Nachwuchs, am Stolz der Familien, an der Zukunft der Gesellschaft.

Kein Ort ist symbolträchtiger für die vom Täter so sehr gehasste und vielleicht auch gefürchtete heile Welt. Solche Überlegungen und Motive findet man nicht nur beim „School Shooter“ modernen Zuschnitts, sondern auch bei „normalen“ Amokläufern. Die Psyche der Attentäter scheint instinktiv zu erfassen, wo sie die Menschen am meisten treffen. Aber was geht in den jungen Amokläufern innerlich vor? Reinhard Haller antwortet: „Das wesentliche Element in der Entwicklung zum modernen Amokschützen besteht in Resignation und verbittertem Rückzug.“ Quelle: „Das Böse“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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