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Träume sind spannender als Video-Clips

Eine Zeit, die so von Bildern geprägt ist wie die heutige, müsste die inneren Bilderwelten ebenso zu schätzen wissen wie die äußeren. Daher ist es für Georg Milzner merkwürdig, dass Menschen stundenlang Youtube-Videos ansehen können, sich oft für ihre Träume wenig interessieren: „Denn Träume sind allemal spannender als Clips, und überdies haben sie etwas mit uns zu tun.“ Ob man sie als Botschaften des Unbewussten liest oder ob man, wie der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend einmal sagte, beim Träumen bloß die „Show“ genießt, ist dabei zunächst einmal unwesentlich. Als Psychologe des Unbewussten arbeitet Georg Milzner oft mit Träumen. Und er macht dabei immer wieder dieselbe Erfahrung: Menschen, die sich um ihre Träume jahrelang nicht gekümmert haben, ja, sich nicht einmal sicher waren, ob sie überhaupt träumen, werden plötzlich neugierig. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Viele können ihre Träume nicht mehr wahrnehmen

Und zwar, weil die Welt der Träume so reichhaltig, so faszinierend und letzten Endes so abenteuerlich ist, dass ein paar Videos ihr schwerlich Konkurrenz machen können. Wenn man auf der Suche nach dem ist, was die eigene Person ausmacht, sind Träume ein ausgezeichneter Weg. Träumen im Informationszeitalter – das wird für viele erst einmal seltsam klingen. Aber bei Licht betrachtet, ist dies eine ausgesprochen sinnvolle Ergänzung. Für Georg Milzner sind Träume das natürliche Gegenstück zu den Youtube-Clips.

Die Clips sind draußen, im Netz und stammen von anderen Leuten, denen ich meine Aufmerksamkeit schenke, indem ich ihre Filme betrachte. Die Träume dagegen sind innen und stammen vom eigenen Selbst. Und das eigene Selbst ist es, das Aufmerksamkeit bekommt, indem man es wahrnimmt. Sich mit Träumen zu beschäftigen heißt zunächst einmal, Träume überhaupt wieder wahrzunehmen. Viele können dies nicht mehr oder vermuten, sie würde überhaupt nicht träumen.

Träume gleichen der bewussten Außenwelt

Das aber stimmt nicht, wie man aus der Schlaf- und Traumforschung weiß. Vielmehr ist das Wahrnehmen und Erinnern von Träumen einmal mehr eine Sache der Verteilung der Aufmerksamkeit. Wer Träume wieder wahrnehmen möchte, der muss nur eine kleine Regel beherzigen: Man sollte nach dem ersten Aufwachen alles auf einen Zettel notieren oder ins Smartphone sprechen, was an Traumerinnerung noch vorhanden ist. Dies sollte unbedingt vor dem ersten Kaffee oder dem Gang zur Toilette passieren, denn beide lassen die Erinnerung an den Traum oft verschwinden.

Georg Milzner weiß: „Anfangs ist das meist wenig. Aber gerade dann ist das Notieren wichtig, denn damit geben wir uns gewissermaßen das Signal, Träume wieder wichtig zu nehmen.“ Wer dieser Regel folgt, macht die Erfahrung: Nach wenigen Tagen nimmt die Erinnerung an Träume zu. Als hätte man nie damit aufgehört, träumt man wieder bewusster und reichert damit seine Erlebnisse mit neuen Inhalten an. Träume werden ja erlebt wie bewusstes Leben in der Außenwelt – nur eben ohne äußere Regung. Quelle: „Wir sind überall, nur nicht bei uns“ von Georg Milzner

Von Hans Klumbies

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