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Alle wollen das Vertrauen der anderen

Alle wollen Vertrauen. Die Banken wollen es. Die Politik will es. Auch die Kirchen wollen es. Ebenso will es die Wissenschaft, die Technik, die Ärzte, das Internet, die Liebe, das Recht, die Unternehmen und die Polizei. In der Schweiz vertraut man der Polizei und der Feuerwehr auch. Die Europäische Union hingegen hat wenig Vertrauen, weder in der Schweiz noch sonst wo. Martin Hartmann ergänzt: „Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland hat es. Migrantinnen und Migranten haben es oft nicht. Medien, Systeme, Institutionen wollen es. Sprache und Wissen brauchen es.“ Wenn jemand etwas weiß, aber niemand denjenigen für glaubwürdig hält, hat er ein Problem. Notare wollen Vertrauen. Das Geld will Vertrauen. Manager wollen Vertrauen und sogar Donald Trump will es. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

Ohne Vertrauen gibt es keine Gesellschaft

Auch die Gesellschaft will Vertrauen. Ohne Vertrauen gäbe es keine Gesellschaft, glauben und sagen viele. Wie wird die Gesellschaft durch Vertrauen zusammengehalten? Das Thema ist durchaus alt. Michel de Montaigne schreibt, der Lügner verrate die Gesellschaft, durch die Lüge würden „alle Bande des menschlichen Miteinanders“ zerrissen. Das Militär will Vertrauen. Das Schweizer Bundesamt für Statistik schreibt: „Das Vertrauen der Bevölkerung in die Armee ist eine wesentliche Voraussetzung für die Legitimation dieser Institution und hängt eng mit dem allgemeinen Sicherheitsgefühl zusammen.“

Sogar die Welt will Vertrauen. Laut Niklas Luhmann würden die Menschen ohne Vertrauen morgens nicht aus dem Bett steigen. Und natürlich wollen Menschen Vertrauen, sofern sie nicht der Mafia angehören. Die im Übrigen, so sagt es die Forschung, im 19. Jahrhundert in Teilen Süditaliens entstanden ist. Sie wurde als Lösung des Problems allgemeinen Misstrauens gesehen. Als Schutzgarant übernahm sie Aufgaben der Polizei – die Mafia, dein Freund und Helfer.

Vertrauen muss man sich verdienen

„Alle wollen Vertrauen“ ist ungenau formuliert. Man müsste präziser formulieren: Alle wollen, dass andere ihnen vertrauen. Alle wollen das Vertrauen der anderen. Man kann aber auch anders formulieren. Wollen alle, die das Vertrauen anderer haben wollen, auch selbst vertrauen, also diejenigen sein, die anderen vertrauen? Es hängt für Martin Hartmann einiges an der Perspektive: „So gilt für mich als Empfänger des Vertrauens: Um dieses Vertrauen zu erhalten, muss ich mich als vertrauenswürdig erweisen.“

Man muss das Vertrauensgeschenk, das der andere einem macht, verdienen oder angemessen behandeln. Auch als Empfänger des Vertrauens bin ich verletzbar, weswegen man manches Vertrauen, das jemand einem schenken möchte, gar nicht haben will. Es kann sein, dass dieses Vertrauen einen Menschen überfordert oder dass er meint, ihm nicht gerecht werden zu können. Außerdem kann sich ein Mensch im Umgang mit Vertrauen als eine Person erweisen, die nichts mit erhaltenen Vertrauen anfangen kann. Quelle: „Vertrauen“ von Martin Hartmann

Von Hans Klumbies

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