Viele Männer sind ziemlich scheiße
Es gibt ein gutes Argument gegen das Buch „Der gekränkte Mann“. Viele Männer sind tatsächlich ziemlich scheiße: Adolf Hitler, Osama bin Laden, Donald Trump, Björn Höcke und viele andere. Terroristen, Taliban, Amokläufer sind in der Regel Männer. Tobias Haberl fügt hinzu: „Für eine böse Frau muss man lange überlegen. Beate Zschäpe? Vielleicht. Eine langweilige, anstrengende, oberflächliche? Kein Problem – ein Blick auf Instagram genügt.“ Aber eine, die kriminell oder sogar gewalttätig ist? Schwierig. Und wenn einem eine einfällt, ist meistens ihr Vater oder Ehemann schuld. Männer vergewaltigen mehr, töten mehr und verschicken definitiv mehr Fotos von ihrem Geschlechtsteil, die keiner haben will. Der Literaturwissenschaftler Tobias Haberl schreibt für das „Süddeutsche Zeitung Magazin“. Sein letztes Buch „Die große Entzauberung – Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen“ wurde ein Bestseller.
Manche Männer sind Feiglinge
Eigentlich geht es in dem Buch „Der gekränkte Mann“ nicht um böse Männer, sondern um den Rest. Also um alle anderen, die in Ordnung, aber unbeholfen, schwerfällig und durcheinander sind, weil sich so vieles verändert, dass sie die Welt und manchmal sich selbst nicht mehr verstehen. Tobias Haberl weiß: „Es ist tatsächlich so, dass wir heute anders essen, reisen, fernsehen, reden, flirten und streiten als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.“ Manche kommen da nicht mehr mit, manche wollen auch nicht mehr mitkommen.
Sie wollen nicht wahrhaben, dass es vorbei ist mit der Normalität der letzten Jahrzehnte, dass sie die Gesellschaft gerade tiefgreifend wandelt. Tobias Haberl erklärt: „Diese Männer sind die Kehrseite einer Welt im Wandel, die Zusammenrottung gekränkter Egos.“ Dabei handelt es sich um Feiglinge, die wollen, dass das Morgen genauso ist wie das Heute und die Angst vor der Zukunft haben, in der sie keine Rolle mehr spielen. Denn sie sind von Frauen, Algorithmen oder aufgeschlossenen Männern zur Seite gedrängt worden.
Eine fragile Männlichkeit kann in rechtes Denken münden
Und deswegen muss Tobias Haberl kurz über sie sprechen, weil die Krise ihrer männlichen Identität verknüpft ist mit einer Krise der politischen Strukturen. Weil die Angst und der Frust dieser Männer die Demokratie so bedrohen, dass man sie nicht ignorieren sollte. Weil schon Jean-Paul Sartre in seinem Essay „Kindheit eines Chefs“ beschreibt, wie eine fragile Männlichkeit, die sich nach sozialer und sexueller Bestätigung sehnt, in rechtes Denken münden kann.
Tobias Haberl stellt fest: „Nachdem das Patriarchat über Jahrtausende wie ein Geschwür vor sich hin wuchern konnte, wird es seit einigen Jahren massiv hinterfragt und attackiert.“ Im Moment sind die Leute verrückt nach Büchern, die den Untergang einer männlich dominerten Zivilisation beschwören. Ein Kultbuch von Margarete Stokowski aus dem Jahr 2018 trägt den Titel „Die letzten Tage des Patriarchats“. Vier Jahre später schleppt es sich mit rasselndem Atem von Niederlage zu Niederlage. Quelle: „Der gekränkte Mann“ von Tobias Haberl
Von Hans Klumbies