Selbstentfaltung ist die zentrale Aufgabe des Lebens

Erich Fromm unterscheidet zwischen einer autoritären und einer humanistischen Ethik. Die autoritäre Form schreibt dem Menschen Gebote und Verbote von außen vor, die humanistische Variante untersucht das Wesen des Menschen und erkennt die Wege und Hilfsmittel, die zur Selbstverwirklichung beitragen. Bei der humanistischen Ethik ist das Wohl der Menschen das einzige Kriterium für ethische Werte. Die autoritäre Ethik schätzt vor allem Gehorsamkeit und Unterwürfigkeit. Erich Fromm setzt die Ethik fast mit der Lebenskunst gleich, die jeder Mensch lernen muss, wenn er sein Leben erfolgreich und glücklich bewältigen will.
Der Mensch lebt in latenter Unsicherheit
Das menschliche Dasein ist nämlich nichts gegebenes, sondern eine Aufgabe. In dem Maße, wie das Individuum dieser Aufgabe gerecht wird und seine Möglichkeiten ergreift, wird es glücklich. In der Tugend entfaltet sich laut Erich Fromm eine positive Kraft, während das Laster nur Fehlentwicklung und Verantwortungslosigkeit gegenüber sich selbst bedeutet. Muss ein Mensch durch gesellschaftliche Zwänge im Widerspruch zu seiner Natur leben, geht bei ihm die äußere und innere Entwicklung verloren und seine Produktivität versiegt.
Es stellen sich geistige und emotionale Störungen ein, die ihn allmählich zwingen, diese Verhältnisse zu ändern, da er sich selbst nicht ändern kann. Die Natur des Menschen ist für Erich Fromm durch seine biologische Schwäche und durch seine existentiellen und historischen Widersprüche gekennzeichnet. Der Mensch verbringt sein Leben stets in latenter Unsicherheit.
Nur wer sich selbst liebt, kann andere lieben
In dieser allgemeinen Ungewissheit bildet die Person einen Charakter aus, der ihm einen gewohnheitsmäßigen Umgang mit ihren Mitmenschen und Dingen gestattet. Für Erich Fromm ist der Charakter sowohl ein Erziehungsprodukt als auch eine Selbstschöpfung des Kindes. Der Charakter hat thoden werden durch den Kulturraum bestimmt, in dem sie leben.
Produktiv ist ein Mensch laut Erich Fromm, wenn er aus sich selbst heraus lebt, wenn er zur Arbeit und zur Liebe fähig ist und außerdem die Kraft hat, den gesellschaftlichen Zwängen Widerstand zu leisten. Für Erich Fromm ist der Mensch selbst der wichtigste Gegenstand der Produktivität. Selbstgestaltung und Selbstentfaltung sind die zentralen Aufgaben des menschlichen Seins. Die Nächstenliebe hat für Erich Fromm nichts mit einer Selbstverneinung zu tun. In Wirklichkeit kann nur derjenige andere lieben, der sich selbst liebt.
Im Gewissen erkennt Erich Fromm keine außermenschliche Instanz, die dem Menschen Gebote eines Gottes oder eines Reichs der Werte übermitteln soll. Es ist eher ein Mahnruf des Menschen an sich selbst, die Stimme seiner liebevollen Besorgtheit um das eigene Ich und dessen Möglichkeiten der Entwicklung. Für Erich Fromm ist es ein Vorurteil, dass man Freude und Glück in einer Konsumentenhaltung gewinnen kann. Glückseligkeit ist für ihn lösen sich dann von selbst.
Kurzbiographie: Erich Fromm
Erich Fromm wurde am 23. März 1900 in Frankfurt am Main geboren. Vor seinem Jurastudium an der Frankfurter Universität beschäftigte er sich stark mit dem Talmud. Da er sich mit dem Studium der Rechte nicht sehr anfreunden konnte, ging er nach Heidelberg um Soziologie zu studieren. 1922 promovierte er mit einer Dissertation über „Das jüdische Gesetz“. 1926 heiratet der die Psychiaterin Frieda Reichmann und absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung. 1929 wurde Erich Fromm zum Mitbegründer des süddeutschen Instituts für Psychoanalyse in Frankfurt.
1933 hielt Fromm Gastvorlesungen an der Un Universität von Mexiko. 1955 erschien sein drittes Hauptwerk „Der moderne Mensch und seine Zukunft“. Seinen größten publizistischen Erfolg erzielt Fromm allerdings mit seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ (1956). Sehr bekannt geworden ist auch sein Spätwerk „Haben oder sein“ von 1976. Erich Fromm der seit 1974 in Locarno, in der Schweiz, lebte, starb am 18. März. 1980.
Von Hans Klumbies

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